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Alex Stöckl: "Große Herausforderung für Norwegen zu arbeiten"

Erstellt am: 24.03.2012 10:50 / sk

Alexander Stöckl ersetzte als norwegischer Cheftrainer den berühmten Finnen Mika Kojonkoski. Bereits nach der ersten Saison seiner Arbeit mit den Norwegern haben seine Athleten eine Silbermedaille bei der Skiflug-WM gewonnen und auch den Gesamtweltcupsieg geholt. Wir haben uns mit dem erfolgreichen Österreicher in Planica getroffen, um etwas über seine Athleten, sein Hobby und das Skispringen in Norwegen zu erfahren.

 

Berkutschi: Als Mika Kojonkoski sich für das Karriereende entschieden hatte, wählte er dich als sein Nachfolger. Hattest du Angst vor der Aufgabe?

 

Alexander Stöckl: Ich hatte keine Angst, aber es ist eine sehr große Herausforderung für Norwegen, also für die Geburtsstätte des Skispringens, zu arbeiten. Ich war etwas nervös am Anfang, das ist ganz klar. Für mich war das generell eine neue Position. Ich war bisher nur Nachwuchstrainer, aber ich habe schnell bemerkt, dass die Arbeit mit den norwegischen Athleten die gleiche ist, und ich habe mich sehr schnell wohlgefühlt. Natürlich ist die Verantwortung wesentlich größer. Das öffentliche Interesse, die Medien sind mehr present in Norwegen, sie wollen mehr Interviews, sie stellen mehr fragen und wenn die Leistungen nicht stimmen, dann ist natürlich der Druck größer.

 

Berkutschi: In welchem Zustand hast du das Team vorgefunden?

 

Stöckl: Sie waren in einem sehr guten Zustand. Ich denke sie haben die letzten Jahre sehr gut trainiert. Die Entwicklung der Sprungtechnik war etwas anders als ich es gewöhnt war, aber wir haben daran gearbeitet so wie ich in Österreich gearbeitet habe, an einer etwas anderen Technik beim Absprung. Das Konditionstraining haben wir auch verändert und das hat sehr schnell funktioniert. Die Athleten waren offen und bereit die Veränderungen mitzumachen und es ist dann relativ schnell nach oben gegangen.

 

Berkutschi: Wie hast du deine Mitarbeiter ausgewählt? Ein Finne, ein Österreicher und ein Norweger... Wie ist das zustande gekommen?

 

Stöckl: Also der Finne, der Physiotherapeut, war im letzten Jahr schon dabei und die Athleten waren sehr zufrieden. Ich habe ihm gesagt, dass wir ihn vielleicht im Team lassen und ich bin auch sehr zufrieden mit ihm. Den Servicetechniker habe ich von Österreich mitgenommen. Und beim Co-Trainer war es so, dass ich mit den möglichen Co-Trainern gesprochen habe und mit Magnus war die Kommunikation sofort sehr gut. Wir haben die gleichen Ideen und die gleichen Voraussetzungen was die Springer betrifft, die gleichen technischen Ideen und ich habe mich für ihn entschieden.

Team Norway in Planica

 

Berkutschi: Du bist nach Norwegen umgezogen - das hat Mika Kojonkoski nie gemacht. Glaubst du, dass es ein großer Vorteil ist, ständig vor Ort zu sein? Wie beeinflusst das deine Arbeit?

 

Stöckl: Das Team Norwegen möchte im Skispringen Nummer 1 werden. Da ist es sehr wichtig, dass man auch im Nachwuchsbereich im System arbeitet. Um das machen zu können ist es meiner Meinung nach irrsinnig wichtig, die Kultur und die Vereine zu verstehen, sodass man weiß, wie die Trainer mit den Athleten arbeiten und das braucht sehr viel Zeit. Wenn ich als Cheftrainer aus dem Ausland arbeite, dann kann ich nur die Trainingskurse mit den Athleten der Nationalmannschaft machen und habe sonst nicht die Möglichkeit vor Ort mit allen Athleten zu trainieren oder mit Leuten oder Institutionen zu sprechen, wie z.B. Olympiatoppen - das ist eine Topsportorganisation. Wenn ich dort lebe, habe ich täglich die Möglichkeit mich zu orientieren, die Kultur kennenzulernen, die Hintergründe des Skispringens in Norwegen zu verstehen. Das ist sehr wichtig, dass man wirklich an allen Ecken und allen Enden anpacken kann.

 

Berkutschi: Du hast auch angefangen Norwegisch zu lernen. Findest du es notwendig mit den Springern in ihrer eigenen Sprache zu sprechen?

 

Stöckl: Das ist wichtig. Ich bin dabei, Norwegisch zu lernen. Es dauert noch ein bißchen, aber ich habe angefangen und mein Ziel ist schon, dass ich mal mit den Athleten auf Norwegisch trainiere.

 

Berkutschi: Du hast gesagt dass der Kontakt zu deinen Athleten vor Ort sehr wichtig ist, so wie generell der Skisprungsport in Norwegen. Was sind die größten Unterschiede in der Einstellung zu diesem Sport wenn du Norwegen mit deiner Heimat Österreich vergleichen würdest?

 

Stöckl: Ich denke, dass der Stellenwert des Skispringens in Österreich inzwischen sehr hoch ist, aber nicht so hoch wie in Norwegen, weil die Geschichte nicht so lang ist. Österreich hat eine Alpingeschichte, der alpine Sport ist immer noch Nummer 1 dort. In Norwegen ist das generell der nordische Sport, natürlich ist der Langlauf sehr interessant, aber das Skispringen hat den Ursprung in Norwegen und deswegen steckt sehr viel Kultur und sehr viel Herzblut in diesem Sport. Ich denke dass das den Stellenwert schon etwas höher bringt, als es in Österreich ist, und dementsprechend auch das Interesse. Ich habe gehört, dass bis vor ca. 20 Jahren fast jede Familie Sprungski zu Hause hatte. Das war normal wie es bei uns in Österreich normal ist, dass jeder zu Hause Alpinski hat und Alpin fahren geht. In Norwegen sind es Sprungski.

 

Berkutschi: Norweger scheinen eher Familienmenschen zu sein. Wie fühlst du dich in Norwegen als Ausländer und wie gefällt dir dein neues Leben dort?

 

Stöckl: Ich denke, dass von der Persönlichkeit her, die Norweger ähnlich sind wie die Österreicher. Der Österreicher ist meiner Meinung nach ein sehr gemütlicher, offenherziger Mensch. Aber was man sehr merkt in Norwegen, ist diese Offenheit gegenüber Personen, die aus dem Ausland kommen. Das ist generell so in Norwegen, dass man als Ausländer sehr schnell Anschluss findet, sehr schnell mit den Leuten zum sprechen kommt und integriert wird. Das funktioniert besser als in Österreich, denke ich.

 

Berkutschi: Ist der Druck der Medien tatsächlich so hoch? Wir haben neulich mit Håvard Lie gesprochen und er war der Meinung, dass dieses Jahr eine Art Ausnahme war und dass der Druck kleiner ist.

 

Stöckl: Ich denke es war taktisch sehr gut, dass wir am Anfang gesagt haben - wir müssen schauen, es ist ein neues Trainerteam, wir haben sehr viel verändert und deswegen es ist wichtig dass wir ruhig bleiben auch wenn die Ergebnisse nicht so gut sind. Wir brauchen einfach Zeit. Das hat ein bißchen Wind aus den Segeln genommen. Aber man hat schon gemerkt, wie es in Lillehammer am ersten Tag war, als die Ergebnisse so schlecht waren, dass dann schon die Fragen etwas agressiver wurden, speziell von den norwegischen Medien. Aber das ist nicht so, wie in Österreich bei Schlierenzauer oder Morgenstern - in dem Sinne ist es leichter.

 

Berkutschi: Du hast Profile auf Twitter und Facebook, deine Athleten haben sogar Kurse absolviert, um herauszufinden, wie man mit Medien umgehen sollte. Was hälst du von diesen sozialen Plattformen?

 

Stöckl: Ich denke das Twitter, Facebook, diese ganzen sozialen Plattformen im Internet, den Sportlern und auch mir als Trainer die Gelegenheit geben, Informationen direkt an die Menschen weiterzugeben. Ich denke, dass es im Gespräch mit den Medien, so wie im Gespräch mit euch jetzt, oft schwierig ist die Informationen ungefiltert oder unbearbeitet weiterzugeben weil ihr es aufschreiben müsst. Wenn ich die Gelegenheit habe, nach einem Wettkampf kurz meine Eindrücke und wie ich es erlebt habe, aufzuschreiben und an die Leute weiter zu geben, denke ich, dass das sehr viele Interessiert. Also das ist einfach eine Möglichkeit, eben ungefiltert Informationen hinauszubringen.

 

Berkutschi: Du hast schon gesagt, dass der Anfang der Saison nicht so gut für euch war. Dann plötzlich nach Lillehammer kam Harrachov und gute Ergebnisse. Was ist passiert?

 

Stöckl: Ich denke es war so, dass die Athleten sich selber sehr viel Druck gemacht haben, speziell zu Beginn der Saison. Wir haben im Sommer sehr gut gearbeitet, die Athleten waren sehr motiviert, sie haben sehr viel trainiert, konditionell sehr viel gemacht. Und auch sprungtechnisch hatte ich ein recht gutes Gefühl. Aber dann wollten sie ab Beginn der Saison zeigen was sie gemacht haben und diese Übermotivation m Skispringen ist eines der schwierigsten Dinge. Wenn man 110% leisten will, dann leistet man meistens null. Und so ist es. Kuusamo war sehr schlecht - der Mannschaftswettkampf war wirklich schlecht, der Einzelwettkampf danach war besser weil sie etwas entspannter waren. Das erste mal zu Hause zu springen ist natürlich auch wieder eine schwierige Situation. Die Medien sind dort stark vertreten, die Freunde, Familien, Bekannte sind dort... und das macht es auch schwierig. Danach waren sie wirklich mehr fokussiert auf den Prozess, auf die Leistung selbst, und nicht auf das Ergebniss oder das Umfeld, und das hat dann den Stein ins Rollen gebracht.

 

Berkutschi: Und wie ist es mit der Skiflug-WM in Vikersund? Du hast 2 Medaillen erwartet, aber es gab nur eine für euch. Bist du zufrieden?

 

Stöckl: Ich bin sehr zufrieden. Natürlich mit der Einzelmedaille von Rune Velta - ein junger Athlet, macht eine Silbermedaille. Ein zweiter junger Athlet, Anders Fannemel, zeigte den weitesten Sprung des Wochenendes, den zweitweiteste Sprung hinter dem Weltrekord, und der Rest der Athleten hat im Laufe dieses Wochenendes sehr gute Sprünge gezeigt. Aber in einem Mannschaftswettkampf, speziell wenn die anderen Mannschaften so gut springen wie es der Fall war, ist es schwierig. Wir waren 100 Punkte im Rückstand und vor 2 Jahren bei der Skiflug WM waren wir mit 100 Punkten Rückstand immer noch auf dem Podium. Dieses Mal war das nicht moglich, weil die drei Mannschaften konstant und so gut gesprungen sind. Wir hatten recht gute Sprünge, aber eben nicht perfekte Sprünge. Bjørn hatte Schwierigkeiten mit seinem Rücken, das war ein Problem die ganze Woche, Tom war zu diesem Zeitpunkt als Ersatzmann dabei, aber er war leistungsmässig immer noch weit hinter Bjørn, deswegen fehlte uns eigentlich der vierte Mann. Aber bei einem Mannschaftswettbewerb ist es halt wichtig, dass der vierte Mann immer noch sehr gut und konstant springen kann.

 

Berkutschi: Wir erinnern uns noch an den schweren Sturz von Tom Hilde. Wie hat er sich erholt? Hast du erwartet, dass er so schnell wieder auf den Schanzen und in guter Form sein wird?

 

Stöckl: Ursprünglich hab ich das nicht erwartet, nachdem die Verletztung doch gravierend war. Aber er hat mit der Unterstützung von vielen Spezialisten in Norwegen sehr hart an sich gearbeitet, die richtigen Schritte gemacht, er wollte nicht zu viel in zu kurzer Zeit, hatte eine sehr klare Vorstellung, wie er wieder auf die Schanze zurückkommt und was er machen will. Es gibt diesen Effekt, wenn man eine Pause macht und zurückkommt, und dann die ersten Sprünge, dadurch dass man keine Erwartungen hat, dass sehr gut sind. Und dann gibt es den zweiten Effekt, wenn man anfängt darüber nachzudenken, warum es so gut läuft, daran zu arbeiten - danach kommt meistens ein leichter Leistungsabfall. In diesem Prozess befindet er sich jetzt. Wir haben in den letzten Tagen gesehen, dass er jetzt nicht mehr in der Lage ist, die Dinge so leicht zu nehmen. Und es ist gut für ihn, dass die Saison zu Ende ist. Ich denke er wird im Sommer wieder hart an sich arbeiten mit einem etwas veränderten Aspekt, nämlich dass er nach einem solchen Sturz mit dieser schweren Verletztung, wieder etwas mehr Wertschätzung fürs Skispringen hat als vorher. Er hatte vorher schon sehr viel, aber wenn man weiss es ist so knapp, dass man die Karriere beenden muss, dann schätzt man die Dinge etwas mehr.

 

Berkutschi: Norwegen hat eine Reihe von "Topfliegern" wenn es um das Skifliegen geht, mit Romøren, Rune Velta usw. Was glaubst du, wer von den vielleicht weniger bekannten Skispringern auch das Potential hat so ein guter Flieger zu sein?

 

Stöckl: Sicher Vegard Sklett, der kann sehr gut fliegen, das hat er am Kulm schon bewiesen. Ansonsten denke ich, dass von den jüngeren Athleten Andreas Stjernen hier sehr gute Sprünge gezeigt hat. Ich denke es gibt einige. Generell glaube ich dass Norweger, ich hab noch nicht herausgefunden warum, generell sehr gute Flieger sind. Auch bei den jüngeren Athleten sieht man, dass sie, sobald sie auf einer größeren Schanze springen, sofort ein sehr gutes Gefühl für die Luft und das Fliegen entwickeln. Ich habe noch nicht entdeckt warum.

 

Berkutschi: Es ist etwas verwunderlich, dass eher kleine Springer wie Anders Fannemel, Vegard Sklett oder Johan Remen Evensen die absolut längsten Flüge zeigen. Es gibt ja auch große Flieger wie Martin Koch oder Gregor Schlierenzauer, glaubst du dass es ein Vorteil ist, wenn man klein ist, oder hilft es mehr wenn man mehr Tragfläche hat? Macht das einen großen Unterschied?

 

Stöckl: Ich glaube es macht keinen Unterschied, Gott sei Dank. Das gibt auch den kleinen Athleten die Möglichkeit so weit zu fliegen. Durch diese Regelung mit der Skilänge und dem BMI versucht die FIS die Sportart möglichst breit zu halten. Das ist nicht wie in anderen Sportarten, wie im Volleyball zum Beispiel, wo man nur mit einer gewissen Körpergröße mitspielen kann. Geräteturner müssen sehr klein sein. Und beim Skispringen ist es Gott sei Dank so, dass es sehr viele verschiedene Typen von Athleten gibt, die wirklich sehr gut springen und die Weltcups gewinnen können. Deswegen ist es kein Vorteil, aber auch kein Nachteil.

 

Berkutschi: Glaubst du, dass Anders Jacobsen bald wieder im A Kader mitspringen kann?

 

Stöckl: Ich hoffe, dass er ein sehr gutes Comeback machen kann. Er absolviert bereits spezielles Konditionstraining, er ist sehr motiviert. Ich habe letzte Woche in Oslo mit ihm gesprochen und ein Trainingsprogramm für ihn gemacht. Er freut sich irrsinnig darauf wieder professionell ski zu springen. Deswegen denke ich, dass er mit seinen Voraussetzungen, mit seinem Talent, eine sehr gute Chance hat wieder im Weltcup dabei zu sein.

 

Berkutschi: Du machst auch Musik und hast sogar den WM-Song geschrieben. Kannst du uns etwas über deine Musikkarriere erzählen?

 

Stöckl: Also "Karriere" wäre übertrieben, denke ich. Ich habe immer schon Musik gemacht, viel gesungen, Gitarre gespielt. Ich habe angefangen, Klavier zu spielen und habe entdeckt, dass ich auch Texte und Lieder schreiben kann. Es hat in den früheren Jahren immer wieder die Gelegenheit gegeben für mich bei irgendwelchen Projekten mitzumachen. Ich war zum Beispiel in einer Musicalgruppe, weil ich auch in einem Musical getanzt und gesungen habe, oder mit dieser a capella Gruppe - ich denke ihr habt das Video gesehen. Ich habe für eine österreichische Casting-Show für einen Kollegen einen Text geschrieben und er hat mit diesem Lied gewonnen - das war auch sehr interessant. Also es hat immer wieder Gelegenheiten gegeben meine musikalische Seite zu entwickeln und auszuleben. Aber generell ist das ein Hobby, das ist für mich eine Art Erholung. Wenn ich Musik mache, wenn ich zu Hause bin und die Gitarre nehme und spiele, dann vergesse ich alles um mich herum und ich kann mich danach wieder frisch aufs Skispringen konzentrieren.

 

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