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Reibung beim Mattenspringen

Erstellt am: 21.08.2018 09:29 / sk

Warum gehen die Skispringer beim Ausfahren im Sommer eigentlich immer so seltsam in Rücklage? Dass dem überhaupt so ist, merkt man vermutlich nur, wenn man besonders darauf achtet, aber dann fällt es auf. Der Grund ist einfach und einleuchtend, es ist der Reibungsunterschied zwischen einer künstlichen (Matten) und einer natürlichen (Rasen) Oberfläche.

Dass es dabei allerdings gewaltige Unterschiede gibt hat sich einer genauer angeschaut, der es nicht nur wissen sondern auch professionell beurteilen und erklären kann: Professor Matthias Scherge vom Team Snowstorm.

Reibung beim Mattenspringen

Matthias Scherge, Team Snowstorm

„Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen“ oder abgewandelt „Wenn es dem Reibungswissenschaftler zu wohl ist, geht er auf die Matten zum Messen“. So geschehen diesen Sommer in Steinbach-Hallenberg mit der Frage, wieviel Rücklage notwendig ist, wenn der Springer im Auslauf auf Rasen kommt, siehe Bild 1.

Ohne angemessene Rücklage würde die abrupt höhere Reibung am Übergang zwischen Matten und Rasen den Springer nach vorn katapultieren und zum Sturz bringen. Um tiefer in die Problematik einzudringen, hatte ich mich beim Ski-Club Steinbach-Hallenberg und speziell bei dessen Vorsitzenden Wolfram König angemeldet und um Messerlaubnis gebeten. Die positive Antwort kam prompt und drückte großes Interesse an den Messwerten und zu Fragen der Athletensicherheit bei Stürzen aus. An der Schanze erwartete mich neben Wolfram König auch Landestrainer Knut Klinzing, der mir die Schanze in ihrem neuen Gewand zeigte.

Bild 3: Reibungsmessungen

 

Mit den Matten von Mr. Snow sieht die Schanze auch im Hochsommer bereits sehr winterlich aus, siehe Bild 2. Die Matten bestehen aus Spezialgewebe, welches auf Grund seiner Maschenform und Faserart geringe Reibung hat und sich nach Aussagen der Athleten eindeutig besser fahren lässt.

 

Vom Fahrgefühl zum Messwert

Mit an der Schanze war mein transportables Reibungsmessgerät, welches ich in [1] beschrieben habe. Mit diesem Gerät kann man Haft- und Gleitreibung messen. Die Messungen erfolgten auf Gras, herkömmlichen Matten und den neuen Matten. Als Gleitkörper kam Skibelag aus Polyethylen zum Einsatz. Die Ergebnisse sind in Bild 4 gezeigt.

Bild 1: Gleiten auf Rasen mit Rücklage, Quelle: Radovan Duschek

 

Die Grafik zeigt jeweils eine Messung auf trockenem und nassem Grund. Deutlich zu erkennen ist der große Reibungsunterschied zwischen Gras und Matte. Hier wird klar, warum der Springer in Rücklage gehen muss. Gras hat doppelt so hohe Reibung wie die herkömmliche Matte. Die exakten Zahlenwerte werden in einem zukünftigen GLIDING Artikel veröffentlicht. Durch die neuen Matten wird die Reibung weiterhin verringert. Wie auch bei den grünen Matten empfiehlt sich der schmierende Einsatz von Wasser, wobei die Wassermenge auf Grund der filigranen Faserstruktur des Gewebes deutlich geringer ausfällt. Ein weiterer Vorteil wird sich im Winter zeigen, denn die Matten bleiben liegen und dienen als Basis für den Schnee.

Bild 4: Ergebnisse der Messungen

 

Trainer und Techniker

Mit zunehmender Messzeit wurde Knut Klinzing sichtbar unruhiger. Als ich mit den Matten fertig war, verschwand er kurz in seiner Werkstatt im naheliegenden Vereinsheim und kehrte mit siegessicherer Miene und präparierter Polyethylengleitprobe zurück. Die letzte Messung auf den neuen Matten wurde mit Spezialmittel Knut (SK) durchgeführt und führte zu einer nochmaligen Halbierung der Gleitreibung. Leider war Knut das Rezept nicht zu entlocken, ich arbeite aber noch daran.

 

Resumé

Sehr spannende Messungen und Ergebnisse bei 33°C im Schatten. Reibungswissenschaft macht wirklich Spaß, besonders, wenn man so gut unterstützt wird. Ein Besuch auf der Schanze lohnt sich aus mehreren Gründen. Einerseits kann man die neuen Matten begutachten und testen. Andererseits kann auch im frisch renovierten Vereinsheim übernachtet werden, was Kurse mit Lehrgangsgruppen möglich macht. Ski Heil und herzlichen Dank an Wolfram und Knut!

 

Quellen: [1] Roman Böttcher, Matthias Scherge, Ski preparation as a three-dimensional problem, Gliding, 4(2017)19-23.

Matthias Scherge ist Professor für Tribologie. Das ist die Wissenschaft von Reibung, Verschleiß und Schmierung. Prof. Scherge leitet das Fraunhofer MikroTribologie Centrum, lehrt am Karlsruher Institut für Technologie und managed das Team Snowstorm (http://www.team-snowstorm.de). Darüber hinaus berät er das Nordic Paraski Team Deutschland in wissenschaftlich-technischen Fragen.

 

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