Erstellt am: 27.10.2021 20:09
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Dieser Mann hat das Skispringen verändert wie kaum ein anderer vor ihm. Mit seiner Extraklasse sorgte Gregor Schlierenzauer nicht nur für Rekorde, sondern auch dafür, dass sich der Skisprungsport auch in Zukunft medial als Highlight des Winters präsentieren kann.
Gregor Schlierenzauer, der seine Karriere in diesem Sommer beendet hat, hat 53 Weltcupsiege auf seinem Konto, das ist absoluter Rekord. Auf den Plätzen zwei und drei der ewigen Bestenliste folgen der 2019 verstorbene Finne Matti Nykänen (46 Siege) und Adam Malysz und Kamil Stoch, die beiden Superstars aus Polen haben jeweils 39 Siege auf ihrem Konto.
In den Wintern von 2006/2007 bis 2013/2014 war Schlierenzauer das Maß der Dinge, der Athlet den es zu schlagen galt. Der letzte Einzel-Weltcupsieg gelang „Schlieri“, wie ihn Kollegen und Fans nannten, am 06.12.2014.
Schlierenzauer war während seiner aktiven Zeit der Superstar des Skispringens. Nicht selten sorgte der selbstbewusste Athlet nach besonders weiten Sprüngen mit Unmutsbedunkungen im Auslauf für Kopfschütteln bei den einen, und für Zustimmung bei den anderen.
Schlierenzauers' sportliche Leistungen waren immer unumstritten, seine Fangemeinde ist bis heute riesig.
Fakt ist, dass der Tiroler in seinen besten Tagen der leidtragende seiner eigenen Überform war. Was Jury oder der eigene Trainer heute durch Anlaufverkürzungen regeln können, gab es zu Schlierenzauers Anfangszeiten noch nicht, das Steuerungsinstrument Wind- und Gate Regel. Heute gibt es die Wind- und Gate Regel - zu einem erheblichen Teil wegen Gregor Schlierenzauer.
Gregor Schlierenzauer
Wenn man so möchte, könnte man die Wind- und Gate Regel im Skispringen auch die Gregor Schlierenzauer-Regel nennen. Denn Schlierenzauer war es immer wieder, der mit extrem weiten Sprüngen die Jury an den Rand des Wahnsinns trieb.
Was macht man als Jury, wenn das ganze Feld einen spannenden Wettkampf bestreitet, die Führenden an Bestweiten und Schanzenrekorden kratzen, der letzte, und vermeintlich beste Athlet aber noch oben sitzt, und die Gefahr besteht, dass es für diesen letzten Athleten zu weit gehen könnte?
Bricht man den Durchgang ab und beginnt mit dem ganzen Feld nochmal von vorne? Oder lässt man den stärksten Athleten starten und hofft, dass dieser nicht auch noch perfekte Bedingungen bei seinem Sprung hat?
So geschehen beispielweise im März 2009 auf der Skiflugschanze von Vikersund, wo Schlierenzauer nach Rekordweite von 224 Metern stürzte und anschließend der Jury demonstrativ den Vogel zeigte.
Der unausgesprochene Vorwurf der Geste war klar: "der gewählte Anlauf war zu lang für mich!"
Sieger in Vikersund 2009: Gregor Schlierenzauer, hier mit Simon Ammann und dem Finnen Harri Olli
Schlierenzauer war in seiner Überform mehrmals der Leidtragende dieses Umstandes und mit seiner extremen Qualität setzte er schließlich die Verantwortlichen so unter Druck, dass die Wind- und Gate Regel eingeführt wurde.
Sturz in Vikersund 2009: Gregor Schlierenzauer.
Ab dem Winter 2009/2010 wurde dann, zunächst bei ausgewählten Events und als Test, die Wind und Gate Regel praktiziert. Ab diesem Moment bestand zu jedem Zeitpunkt des Wettkampfes die Möglichkeit, die Anlauflänge und damit die Absprunggeschwindigkeit den Verhältnissen anzupassen. Also sowohl eine Anpassung an die herrschenden Witterungsbedingungen als auch an eine eventuelle Ausnahmeform eines einzelnen Athleten.
Schlierenzauer war ein ganz Großer seiner Zeit, der Tiroler wird auch nach seinem Rücktritt, nicht nur wegen seiner Rekorde, in den Büchern der Sportgeschichte seinen Platz finden.