Wir verwenden Cookies, um Ihnen ein optimales Nutzererlebnis zu bieten und Social Media einzubinden. Privacy Policy

Berkutschi Premium Partners

Einem Dogma geht es an den Kragen

Erstellt am: 28.04.2009 18:13 / os

Nach einem besonders in der zweiten Hälfte schwierigen Skisprung-Winter 08/09 kommt es möglicherweise bereits im Verlauf des kommenden Sommer GPs zu dramatischen Veränderungen bei den Wettkämpfen im Skispringen. Einem Dogma soll es an den Kragen gehen, vielleicht sogar dem Dogma schlechthin beim Skispringen: der gleichen Anlauflänge für alle Starter.

 

Derzeit befindet sich die geplante Änderung noch in der 'Vorschlagphase': Die Pläne müssen erst bei der nächsten Sitzung des Sprung-Komitees in Dubrovnik (Ende Mai) akzeptiert und im Juni bei der FIS-Vorstandssitzung in Vancouver genehmigt werden. Die Aussichten dafür sind aber gut.

 

Test beim Sommer GP geplant

Sollte also die Zustimmung erfolgen, wird bereits bei den Wettkämpfen des kommenden Sommer GPs - zunächst als Test - das neue Reglement zum Einsatz kommen. Um die Dimension der Änderung zu verdeutlichen, die zwei Hauptfaktoren vorab: Der Wettkampfleitung soll es in Zukunft ermöglicht werden, mit Hilfe eines mathematisch errechneten Faktors auf Neustarts nach Veränderungen der Anlauflänge verzichten zu können.

 

Und: der Windkorridor in seiner bisherigen Form wird nicht mehr zum Einsatz kommen. Auslöser für den drastischen Einschnitt ins Reglement waren im Lauf des vergangenen Winters wiederholt Wettkämpfe, die wegen sich ändernder Bedingungen unterbrochen und neu gestartet werden mussten. "In der vergangenen Saison hatten wir viele Wettkämpfe unter extremen Bedingungen. Deshalb mussten wir uns etwas überlegen", erklärte FIS-Renndirektor Walter Hofer.

 

Gesundheit schützen, Telemark setzen, hohe Noten ermöglichen

Und so funktioniert die Neuerung im Detail: Für die von der Jury vor Wettkampfbeginn gewählte Anlauflänge wird ein bestimmter Faktor für die gesprungenen Meter festgelegt, beispielsweise der Wert 1,8. Nun springt bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Wettkampfes (möglicherweise durch sich ändernde Bedingungen) ein weniger starker Springer sehr weit. Die besten, später folgenden Athleten des Wettkampfes würden bei gleicher Anlauflänge möglicherweise zu weit springen, könnten dann aufgrund sehr hoher Weiten und des damit verbundenen Landedrucks keinen Telemark mehr setzen und gefährdeten ihre Gesundheit.

 

Also wird für die nachfolgenden Athleten eine niedrigere, den Verhältnissen angepasste Anlaufluke gewählt. Um die geringere Anfahrt zu kompensieren erhalten die Athleten, die aus einer niedrigeren Luke gestartet sind, einen höheren Faktor für die gesprungenen Meter, in unserem Beispiel den Wert 1,9.

 

So ist also kein Spitzenathlet gezwungen, einen Sprung mit - aus seiner Sicht - gefährlicher Anlauflänge zu absolvieren. Für die Jury bestünde dieMöglichkeit, eine Anlauflänge zu wählen, die kein Sicherheitsrisiko für den Springer bedeutet. Und das Ganze ohne nachteilige Auswirkungen auf das sportliche Ergebnis.

 

Keine ständigen Anlaufveränderungen

Mit diesem Ansatz könnte also auf Neustarts eines Durchganges verzichtet werden, denn die Anlauflänge wird flexibel auf Bedingungen und Athleten angepasst. Allerdings, und das betonte Hofer, sollen nicht permanente Lukenwechsel an die Tagesordnung kommen, sondern die Neuerung soll lediglich ein Hilfsinstrument bei sich stark verändernden Bedingungen sein. "Wir rechnen nicht mit einer ständigen Veränderung des Anlaufs", sagte Hofer. Zudem werde die Neuerung nur dann durchgesetzt, wenn sie in der Öffentlichkeit Anklang fände.

 

Das Ende des Windkorridors

Dieses neue System ist auch auf sich verändernde Windsituationen anwendbar. In diesem Fall setzt der erste Springer eines Wettbewerbs die Grunddaten, in dem seine Windverhältnisse die Ausgangsbasis für die nachfolgenden Springer bildet. Die nachfolgenden Springer werden anhand dieser Grunddaten bewertet. Haben sie bessere Bedingungen, wird ihnen ein bestimmter negativer Faktor zugerechnet, haben sie schlechtere Bedingungen, ist der Faktor positiv.

 

Mit diesem System kann man prinzipiell komplett auf den Korridor verzichten, der bislang maßgeblich war. Die Formel dazu ist bereits entwickelt. Sie bezieht Windrichtung und Windstärke in die Berechnung mit ein. Daraus wird ein Faktor errechnet, der in Beziehung zur Flugrichtung des Athleten gebracht wird.Sollte also starker Rückenwind während eines Durchgangs Einzug halten, muss man ebenfalls nicht die Luke verändern, sondern die Springer, die bei Rückenwind über den Bakken müssen, erhalten eine Kompensation, je nach Windstärke.

 

Skispringen wird durch die Änderung nicht klinisch

Die Gefahr, dass Skispringen seinen besonderen Reiz als Freiluft-Sport verliert, sehen die Verantwortlichen indes nicht: Denn klinisch wird das Springen auch mit dieser Änderung nicht werden, man hat lediglich ein weiteres Ass im Ärmel, wenn sich die Bedingungen beispielsweise zwei Springer vor Ende schlagartig ändern.

 

Hofer sieht im Sommer GP den idealen Testballon für die neuen Entwicklungen. Sollte das Skispringen zu viel von seinem Flair einbüßen oder zu technokratisch werden, wird man sehr vorsichtig mit einer Regeleinführung umgehen: "Jedoch könnte das Ergebnis der Tests nicht nur zu einer technischen Neuerung, sondern auch zu einer taktischen Variante mutieren, sollten zum Beispiel auch die Trainer letztendlich in die Lage versetzt werden, für die eigenen Athleten eine Anlaufverkürzung vornehmen zu dürfen", sagte er.

 

Neueste Nachrichten