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S. Hannawald: "Ich konnte nicht mehr springen"

Erstellt am: 14.03.2014 13:41 / sk

Sven Hannawald gewann in der Saison 2001/02 als Erster und bisher einziger Springer alle vier Springen der Vierschanzentournee in einem Winter und schrieb damit Sportgeschichte.  2004 beendete der Deutsche seine Karriere auf Grund eines Burn-Out-Syndroms. Seine Geschichte erzählt er in dem Buch "Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben". Im Rahmen der Präsentation dieses Buches in Warschau, hatten wir die Gelegenheit mit ihm zu sprechen.

Berkutschi: Warum hast du dich entschieden, deine Geschichte zu erzählen?

 

Sven Hannawald: Weil ich damals, als ich nicht wusste was mit mir los ist, gerne solche Bücher oder den Wissenstand gehabt hätte, um vielleicht schon früher eingreifen zu können. Um einfach früher Bescheid zu wissen, und eben frühzeitig zu den richtigen Ärzten gehen zu können. So war das bei mir damals nicht, und am Ende bin ich zu dem Punkt gekommen, wo ich nicht mehr springen konnte, auch wenn ich es gewollt hätte.

 

Berkutschi: Hattest du keine Angst, dass beim Schreiben wieder negative Gefühle entstehen?

 

Hannawald: Nein, ich habe mir die Zeit genommen, um meinem Körper wirklich das zu geben, was er gebraucht hat. Es hat fünf bis sechs Jahre gedauert, und das wird mir auch jetzt nicht mehr passieren. Alles was ich jetzt mache, ist ja nicht mehr auf dem Level von damals. Gewisse Sachen wirken da zusammen, und auf die Gefahr werde ich mich natürlich nicht mehr einlassen.

 

Berkutschi: Im Buch schreibst du über Gewichtsprobleme. Du wolltest abnehmen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. 

Sven Hannawald, Walter Hofer

 

Hannawald: Ja, weil für mich das der einzige Weg war, Erfolg zu haben. Ich habe vorher, bevor ich den Weg gegangen bin, die verschiedensten Dinge ausprobiert, vom Material usw. Wenn ich mehr Krafttraining gemacht habe, habe ich zwar mehr Sprungkraft gehabt, da war ich aber wieder schwerer. Zu der damaligen Zeit gab es in Österreich den Christian Moser und da habe ich gesehen, dass es ein Vorteil sein kann wenn man Gewicht abnimmt. Das habe ich als allerletztes dann für mich ausprobiert, und das war für mich eben der schnelle und erfolgreiche Weg. Den bin ich natürlich dann gegangen, habe es aber auch mit dem Arzt abgesprochen. So dass er natürlich das immer überwacht und es ja nicht in den Bereich geht, wo es meinem Körper enorm schadet. Dass er natürlich irgendwo Schaden nimmt, das ist klar wenn man so wenig wiegt.

 

Berkutschi: Du sprichst im Buch auch von Wolfgang Steiert und der Zeit, als er den Posten des Bundestrainers in Deutschland bekam. Glaubst du, dass eure Freundschaft darunter gelitten hat?

 

Hannawald: Freundschaft nicht, aber der Teamgeist. Damals zu unserer erfolgreichen Zeit war Reinhard Heß unser Papa. Der vor uns allen Stand und mit breiter Brust die Medien beruhigt hat. Dahinter konnte Wolfgang Steiert mit uns gut arbeiten. Wir hatten auch die Ruhe dazu. Als Wolfi Bundestrainer wurde hat er nicht gemerkt, dass er für mich nicht mehr so da sein konnte, wie ich es gewohnt war. Er hat gedacht, dass es funktioniert. Aber ich wusste, ein Bundestrainer hat keine Zeit. Der hat Termine, Gespräche mit dem Verband, der muss sich um andere Dinge kümmern. Da war er einfach weiter weg von mir und konnte mir nicht mehr helfen. Er wollte das zwar, aber ich habe es dann nicht mehr zugelassen, weil ich wusste, es funktioniert eh nicht.

 

Berkutschi: Du schreibst davon, dass Reinhard Hess gesagt hat er war sehr beeindruckt, wie du den ganzen Stress bei der historischen Vierschanzentournee bewältigt hast. Wie kam es, dass du damals so gut damit umgehen konntest und später in deiner Laufbahn nicht mehr und so das Burn-Out-Syndrom auftrat? 

 

Hannawald:Ich glaube, dass ich mich zu der Zeit natürlich zurückziehen musste. So konnte ich überhaupt erst die Tournee gewinnen. Aber nicht nur bei der Tournee, sondern in der komplettes Saison, auch bei den Olympischen Spielen und der Skiflug-WM, musste ich mich zurückziehen um es überstehen zu können. Aber ich glaube es war da schon zuviel für meinen Körper. ich habe das nicht so wahrgenommen, weil noch Wettkämpfe waren und wir viel gereist sind. Aber als dann nach der Saison die Ruhe da war habe ich schon gemerkt, dass ich extrem müde bin und dass auch eine gewisse Unruhe in mir drin ist, die ich bis daher nicht kannte. Diese Unruhe konnte ich nicht deuten und ich wusste nicht, was es bedeutet.

 

Berkutschi: Glaubst du, dass die Tournee die größte Anstrengung war und zum Burn-Out am meisten beigetragen hat?

 

Hannawald: Ich glaube das war das i-Tüpfelchen. Beim Training habe ich später gemerkt, dass ich mich verändert habe. Die Unruhe kam dadurch, weil ich vielleicht doch irgendwo weg wollte von dem Ganzen. 

 

Berkutschi: Du hast auch ein Kapitel deiner Freundschaft mit Martin Schmitt gewidmet. Er hat erst während dieser Saison mit dem Springen aufgehört. Wieso, glaubst du, konnte er so viel länger weitermachen?

 

Hannawald: Es sind vielleicht Kleinigkeiten. Aber der Hauptunterschieden zwischen uns beiden ist, dass ich leider ein Typ bin, der nicht abschalten kann und immer nach dem Wettkampf schon wieder an den nächsten gedacht hat. Bei Martin war das so, wenn der Wettkampf vorbei war, hat er den Schalter umgelegt, dann war er im Privatleben, hat dann auch natürlich seine Eltern gehabt und konnte vielleicht anders leben und wirklich abschalten. Ich war in einem Prozess, da ging es 24 Stunden über Jahre hinweg nur ums Skispringen. Wenn es gut geht, blickt man über vieles hinweg, aber sobald man merkt, man schafft es nicht mehr, bricht vieles zusammen. Das, denke ich, ist vielleicht der Grund warum vielleicht Martin länger springen konnte, oder auch ein Kasai jetzt immer noch gut mitspringt – weil sie einfach anders mit dem ganzen Thema umgehen.

 

Berkutschi: Als du so erfolgreich warst, warst du auch im Fernsehen immer gut drauf. War das so eine Art Abwehrmechanismus in der Öffentlichkeit?

 

Hannawald: Ja, wenn ich gewusst habe, dass es bei mir gut läuft, dann konnte ich natürlich eher so sein, wie ich auch normal, oder heute bin. Aber es gab natürlich schon Zeiten, wenn es schlecht geht im Springen – da kann ich nicht den Kasper vor der Kamera spielen. Das passt nicht, weil viele dann denken, „Okay, der springt jetzt schlecht und nimmt es nicht ernst genug.“ Wenn es nicht gut ging, war ich natürlich nicht so gut drauf. Aber ich denke das ist normal, und in der Zeit als ich so erfolgreich war, hat es mir dann eben auch Spaß gemacht.

 

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