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Weißflog: "Man muss auch mal Glück haben"

Erstellt am: 30.12.2015 15:26 / sb

In der Interviewreihe „Berkutschi-Talk“ präsentieren wir Gespräche mit Aktiven und Offiziellen rund ums Skispringen. Heute: Jens Weißflog (51).

Jens Weißflog ist einer von nur vier Athleten, die im Skispringen sowohl Einzelgold bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gewonnen als auch bei der Vierschanzentournee und im Gesamtweltcup triumphiert haben. Der viermalige Tourneesieger war sowohl im Parallel- als auch im V-Stil erfolgreich. Mit zehn Tagessiegen zwischen 1983 und 1996 ist er gemeinsam mit Björn Wirkola (NOR) der erfolgreichste Tourneeathlet. In der Zahl der Gesamtsiege wird Weißflog nur von Janne Ahonen überboten.

 

Portrait Jens Weißflog

 


Berkutschi: Hallo Jens, wie hast du den Auftaktsieg von Severin Freund in Oberstdorf erlebt?
Jens Weißflog: Man muss auch mal Glück haben (lacht). Das, was die Norweger an Windglück im ersten Durchgang hatten, hatte Freund im Finale. Aber das gehört ganz einfach mit dazu. Die Spitze ist so dicht beieinander, dass man dieses Glück braucht, um am Ende ganz oben zu stehen. Die Sprünge der anderen waren sicherlich auch gut. Es ist wichtig, dieses schon fast herbeigeredete „Tournee-Trauma“ zu besiegen. Der Druck der Deutschen ist in Oberstdorf sicher am größten.
Diesen Druck hat man aber zum Beispiel auch den Prevc-Brüdern angemerkt. Bei Domen war die Erwartungshaltung vielleicht etwas zu groß. Bei Peter hat man auch gemerkt, dass die Nerven eine Rolle gespielt haben.

 


Berkutschi: Du sprichst das Windglück von Severin Freund an. Das hatte Peter Prevc in Oberstdorf sicherlich nicht, oder?
Weißflog: Nein, das hatte er in beiden Durchgängen nicht. Beim ersten Sprung konnte er es noch kompensieren. Im Finale waren die Windunterschiede dann einfach zu groß, als dass man über die Windpunkte noch etwas hätte reißen können. Aber es hätte hinterher sicher auch niemand nach den Bedingungen gefragt, wenn Severin Pech gehabt hätte und nur Vierter oder Fünfter geworden wäre. Diese Dinge gehören einfach dazu.

 


Berkutschi: Insgesamt war also aus deiner Sicht der Auftakt sehr vom Wind geprägt und man darf das Ergebnis nicht überbewerten?
Weißflog: Für die deutsche Mannschaft war dieser positive Start schon sehr wichtig. Vor allem, dass es nach dem ersten Durchgang noch deutlich nach vorn ging. Die Springer konnten ja fast geschlossen bis zu zehn Plätze gut machen. Das hat zum positiven Gesamteindruck beigetragen. Trotzdem ist in Oberstdorf die Tournee noch nicht gewonnen. Es ist aber gut, dass man den ersten Druck erst einmal hat wegnehmen können.

 


Berkutschi: In den letzten Jahren war die Tournee für die deutschen Springer meist schon in Oberstdorf verloren. Was erwartest du jetzt für den weiteren Verlauf? Kann Peter Prevc in Garmisch zurück schlagen?
Weißflog: Davon gehe ich aus. Er ist ja auch nach wie vor in Reichweite zur Spitze. Dieses Duell mit Severin Freund wird weiter bestehen. Für ihn ist es vielleicht sogar positiv, dass Severin Freund jetzt mehr im Blickpunkt steht.

 


Berkutschi: Es reden sehr viele nur von Severin Freund und Peter Prevc. Könnte am Ende Michael Hayböck der lachende Dritte sein?
Weißflog: Ja, er ist momentan der leicht Unterschätzte. Die Österreicher haben zwar im Moment nur zwei Topspringer. Aber die sind beide ganz vorn dabei. Hayböck war schon im letzten Jahr ganz nah am Tourneesieg dran und hat in der bisherigen Saison einen guten Eindruck gemacht. Aber die Österreicher sind mannschaftlich nicht mehr so stark. Deswegen hat man sie vielleicht nicht so auf der Rechnung. Aber sie sind brandgefährlich.

 


Berkutschi: Noriaki Kasai konnte einen hervorragenden fünften Platz feiern. Hast du eine Erklärung dafür, dass er mit 43 Jahren noch so erfolgreich ist?
Weißflog: Er ist ein Phänomen. Trotz aller Regeländerungen wurde er glaube ich auch noch nie disqualifiziert und bewegt sich immer im Rahmen des Erlaubten. Er ist wie ein Chamäleon und passt sich allen Bedingungen an. Ganz gleich ob es der Wind ist, Regeländerungen oder neues Material. Er kann alles adaptieren. Skispringen ist vielleicht doch nicht so kompliziert (lacht). Man braucht nur die entsprechende Technik, die bei allen Bedingungen funktioniert. Das scheint bei ihm der Fall zu sein.

 


Berkutschi: Simon Ammann kämpft immer noch mit seiner Umstellung bei der Landung. Denkst du, dass er noch einmal an der Spitze anklopfen kann?
Weißflog: Persönlich kann ich diese Technikumstellung nicht ganz nachvollziehen. Jeder hat ein starkes Bein. Ein Schütze zum Beispiel, der immer mit links geschossen hat, wird es sehr schwer haben, wenn er plötzlich mit rechts schießen will. Solche Gewohnheiten zu ändern, ist extrem schwer. Gerade auch im höheren Alter. Ich glaube nicht, dass sich der gewünschte Effekt wirklich einstellen wird. Sein Problem ist, dass er immer eine sehr hohe Flugbahn hat und mit sehr viel Druck landet. Die Landung war bei Simon noch nie so stark ausgeprägt und ich glaube nicht, dass sich das durch die Umstellung ändern wird.

 


Berkutschi: Aus deiner persönlichen Erfahrung: Was sollte man als Athlet jetzt tun, um die nächsten drei Wettbewerbe bestmöglich zu absolvieren?
Weißflog: In diesem Jahr ist es etwas leichter als sonst, denn es gibt zwei Ruhetage. Das ist angenehmer, als wenn man zum Beispiel heute schon die Qualifikation in Garmisch springen müsste. Das macht es etwas leichter, im normalen Ablauf zu bleiben. Das Ergebnis von Oberstdorf ist für Severin Freund sicherlich gut fürs Selbstvertrauen. Man sollte jetzt aber versuchen, sofort wieder Spannung aufzubauen und versuchen in Garmisch nachzulegen.

 


Berkutschi: Zum Abschluss: Wer gewinnt die Tournee?
Weißflog: Es ist unmöglich, das vorher zu sagen. Ich gehe davon aus, dass Freund, Hayböck und Prevc auch in der Gesamtwertung aufs Podest kommen. Auf die Reihenfolge möchte ich mich nicht festlegen. Vielleicht kommt auch noch ein Norweger dazu.

 


Berkutschi: Vielen Dank für das Interview und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 

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