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„Muss niemandem mehr etwas beweisen“

Erstellt am: 07.07.2015 00:54 / sb

In der Interviewreihe „Berkutschi-Talk“ präsentieren wir Gespräche mit Aktiven und Offiziellen rund ums Skispringen. Heute: Gregor Schlierenzauer (25), Weltcup-Rekordsieger.


Bereits im zarten Alter von 16 Jahren gewann Gregor Schlierenzauer im Dezember 2006 in Lillehammer sein erstes Weltcupspringen. 52 weitere Erfolge konnte der Österreicher bis heute erringen und ist damit Weltcup-Rekordsieger. Zu seiner beeindruckenden Titelsammlung gehören je zwei Triumphe im Gesamtweltcup sowie bei der Vierschanzentournee, zehn Weltmeistertitel im Skispringen und Skifliegen sowie vier olympische Medaillen.

 

Berkutschi: Hallo Gregor, du kamst gerade erst aus den USA wieder. Was hast du dort gemacht?
Gregor Schlierenzauer: Urlaub. Zuerst stand ein bisschen Sightseeing auf dem Programm und zum Schluss habe ich am Strand relaxt.

 

Berkutschi: Und jetzt bist du voll motiviert für die neue Saison?
Schlierenzauer: Natürlich!

 

Berkutschi: Es gab ja auch Gerüchte über eine mögliche Skisprungpause. Wie konkret waren diese Überlegungen?
Schlierenzauer: Das ist ja schon Schnee von gestern. Das habe ich schon im letzten Jahr immer dementiert. Nach den Olympischen Spielen von 2014 war ich müde und es gab Überlegungen, ein Jahr Pause zu machen. Das hat sich aber  schnell wieder verflüchtigt und ich habe speziell durch das neue Trainerteam wieder neue Motivation gehabt.

 

Berkutschi: Wenn man auf deine Bilanz im letzten Winter schaut, mit „nur“ einem Weltcupsieg, klingt das nicht berauschend. Andererseits warst du beim Großteil der Wettbewerbe unter den besten 15 und konntest im wichtigsten Wettkampf der Saison, bei den Weltmeisterschaften, eine Medaille holen. Wie fällt deine Bilanz aus?
Schlierenzauer: In Sachen Weltcupsiege hat es schon mal bessere Jahre gegeben, das ist richtig (lacht). Aber ich bin trotzdem zufrieden mit der Saison. Ich habe zwei Medaillen bei der WM geholt und bin jetzt der einzige Skispringer, der bei vier WM-Starts immer eine Einzelmedaille gewinnen konnte. Bei der Vierschanzentournee war ich immer recht knapp am Podest dran. Schlussendlich hatte ich einige Abstimmungsprobleme bei der Technik und dem Material. Und dann kann man eben nicht ganz vorn mitspringen und es summiert sich im Laufe der Saison. Aber man muss die Kirche im Dorf lassen, viele wären glücklich mit solch einer Saison. Die Latte liegt bei mir natürlich extrem hoch. Das ist aber auch ein Ansporn und Motivation für mich und natürlich möchte ich wieder konstant ganz vorn dabei sein.

 

Berkutschi: Kannst du einschätzen, wie viele Prozent dir zur absoluten Topform gefehlt haben?
Schlierenzauer: Das lässt sich schwer sagen. Skispringen ist sehr sensibel und typbezogen. Da muss jeder für sich eine gute Abstimmung finden. Und in meinem Fall, wenn immer nur von Siegen geredet wird, muss die Abstimmung eben nicht nur gut, sondern optimal sein. Da liegt jedes Jahr die Aufgabe. Bislang ist mir das meist sehr gut gelungen. Man muss auch fairerweise dazu sagen, dass sich in den vergangenen Jahren im Materialsektor sehr viel getan hat und ich noch nicht das Optimalpaket gefunden habe.

 

Berkutschi: Du bist in extrem jungen Jahren extrem erfolgreich gewesen und hast fast alles gewonnen…
Schlierenzauer: (lacht) Aber gestorben bin ich noch nicht.

 

Berkutschi: Zum Glück! Ist so eine Schwächephase, wenn man es überhaupt so nennen kann, eine willkommene Motivationshilfe?
Schlierenzauer: Es ist doch menschlich, dass es man nicht immer nur ganz oben stehen kann und auch mal einen kleinen Durchhänger hat. Das gehört im Spitzensport dazu. Aus diesen Erfahrungen, positiv wie negativ, lernt man und versucht sich aufs neue zu Motivieren und sich neue Ziele zu setzen.

 

Berkutschi: Es scheint, dass du in dieser Phase etwas gelassener geworden bist. Täuscht das oder fällt es dir inzwischen leichter damit umzugehen, dass man nicht immer gewinnen kann?
Schlierenzauer: Ich werde immer älter und routinierter. Gleichzeitig muss ich niemandem mehr etwas beweisen, außer mir selbst. Das bringt eine gewisse Gelassenheit mit sich. Das heißt aber natürlich nicht, dass man nicht motiviert wäre, wieder Weltcupspringen zu gewinnen.

 

Berkutschi: Es gab nur wenige wirklich große Champions im Sport, die gut mit Niederlagen umgehen konnten. Möchte man überhaupt eine „guter Verlierer“ sein?
Schlierenzauer: Das ist eine philosophische Frage. Wenn im Spitzensport ist und speziell, wenn man sehr große Erfolge feiert, dann will man nicht verlieren. Das ist klar. Aber man muss auch lernen, dass das Verlieren dazu gehört. Man muss wissen, wie man damit umgeht. Das ist ein Lernprozess. Und wenn man wie in meinem Fall sehr jung ist, dann muss man noch mehr lernen. Davon habe ich in den letzten ein, zwei Jahren vielleicht ein bisschen mehr gehabt.

 

Berkutschi: Schauen wir nach vorn. In der nächsten Saison gibt es das Highlight, die Skiflug-WM, in Österreich. Ist das der Wettbewerb, auf den du dich am meisten freust?
Schlierenzauer: Jein. Grundsätzlich freue ich mich natürlich, dass wir die WM zuhause haben. Aber eigentlich gefällt mir die Vierschanzentournee besser. Und auch der Gesamtweltcup hat einen anderen Reiz. Die WM ist etwas Schönes und wenn ich dabei bin, möchte ich natürlich beweisen, dass ich nach wie vor zu den besten Fliegern dazu gehöre. Aber aus heutiger Sicht sind die großen Ziele die Tournee und der Gesamtweltcup.

 

Berkutschi: Welche Rolle spielt bei der Tournee der Ehrgeiz, diese unglaubliche österreichische Siegesserie fortzusetzen?
Schlierenzauer: Ja, das ist für Österreich natürlich fantastisch. Aber jeder Springer springt für sich selbst. Wenn dann am Ende eine solche Serie für Österreich dabei herauskommt, ist das toll. Aber als Athlet möchte man liebsten selbst vorn sein. Einem Teamkollegen gönnt man es am Ende aber natürlich mehr als einem Konkurrenten aus einer anderen Nation, das ist auch klar. Und es ist auch eine Motivation, wenn der Teamkollege gewinnt und pusht fürs Training.

 

Berkutschi: Welche Chancen siehst du für das österreichische Team beim Kampf um den Nationencup im nächsten Winter?
Schlierenzauer: Ich denke, dass wir nächstes Jahr sehr stark sein werden. Wir sind eine sehr junge Truppe, die schon gut zusammen gewachsen ist. Die Stimmung ist hervorragend, jeder hat Spaß und ist hochmotiviert. Wir arbeiten auf einem sehr hohen Niveau. Es ist die zweite Saison unter dem neuen Trainerteam und ich denke, dass das in den nächsten Jahren auch zum Tragen kommen wird. Die Konkurrenz schläft aber natürlich nicht. Die fünf großen Nationen, Deutschland, Slowenien, Norwegen, Polen und Österreich liefern sich einen schönen Konkurrenzkampf und sind fast immer auf Augenhöhe.

 

Berkutschi: Kannst du kurz umreisen, was sich unter dem Trainer Heinz Kuttin für euer Team geändert hat?
Schlierenzauer: Es ist flexibel, nicht fest gefahren. Man bekommt immer wieder neue Infos. Wir haben in diesem Jahr sehr früh mit dem Teamtraining angefangen, waren zum Beispiel auch Eishockey spielen. Wir werden richtig gefordert, man kann aber auch in Ruhe mit dem Team arbeiten. Speziell diese Ruhe zeichnet Heinz aus.

 

Berkutschi: Letzte Frage: Du hast wahrscheinlich schon jede erdenkliche Schlagzeile über dich gelesen. Gibt es eine, die du gern noch lesen würdest?
Schlierenzauer: Nicht wirklich. Das wichtigste ist, dass man gesund ist und Spaß hat. Dann kommen diese Emotionen auch rüber und werden von den Medien transportiert. Ich bin aber generell kein Fan davon, die Medien so genau zu verfolgen, speziell während der Wettkampfzeit. Es werden Geschichten geschrieben, die die Leute lesen wollen und deshalb ist mir das mittlerweile auch relativ egal.

 

Berkutschi: Danke für das Interview und alles Gute für die neue Saison!

 

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