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S. Hendrickson: Natürlich gibt es Druck

Erstellt am: 09.08.2012 13:35 / sk

Sarah Hendrickson hat mit dem ersten Gesamtweltcupsieg im Damenskispringen in der letzten Saison Wintersportgeschichte geschrieben. Neben neun Weltcupspringen gewann die 18-jährige Amerikanerin aus Park City im vergangenen Winter auch die Silbermedaille bei den Junioren Weltmeisterschaften. Im Interview spricht sie nun unter anderem über Druck, die Situation in ihrem Sport in den USA und im Allgemeinen und notwendige mediale Aufmerksamkeit.

Berkutschi: Im Moment laufen gerade die Olympischen Spiele, also lass uns über die wichtigste Sportveranstaltung sprechen. Du und Deine Teamkollegen haben stark dafür gekämpft bei Olympia dabei sein zu können. Dank dieses beharrlichen Einsatzes ist das Damenskispringen nun bei den nächsten Spielen in Sotschi 2014 dabei. Kannst Du uns etwas darüber erzählen?

 

Hendrickson: Die größte Anerkennung dafür gebührt den älteren Mädchen in meinem Team, sie waren wirklich über viele Jahre an diesem Kampf beteiligt. Ich war noch jünger als das alles passiert ist und habe es beobachtet, aber ich war nicht so involviert wie sie. Sie haben viele Jahre darauf hingearbeitet und jetzt endlich bei Olympia 2014 dabei zu sein ist eine große Errungenschaft für unser Team und auch für den Sport Damenskispringen. Wir alle glauben, dass wir es verdient haben dort zu sein und natürlich freuen wir uns darüber.

 

Berkutschi: Zusammen mit Deinen Teamkollegen hast Du in einer Dokumentation mit dem Titel "Ready To Fly" mitgewirkt. Woher kam diese Idee? Was für eine Erfahrung war es, bei so einem Projekt dabei zu sein?

 

Hendrickson: Der Regisseur (William A. Kernig) ist vor ungefähr 4 Jahren auf uns zugekommen. Er hat früher schon eine Dokumentation über andere amerikanische Skisportler gemacht, hat von unserer Geschichte gehört und war sehr interessiert. Also hat er uns für ein paar Jahre begleitet, war dabei als Lindsey Weltmeisterin wurde und hat ihr geholfen ihre Geschichte und die vom Rest des Teams zu erzählen. Das war wirklich cool. Es ist gut für uns diese Aufmerksamkeit zu bekommen und dass Leute den Film sehen und wissen was wir durchlebt haben.

 

Berkutschi: Wird der Film auch außerhalb von Park City gezeigt und kann man ihn in Zukunft auch in Europa sehen?

 

Hendrickson: Ja, es sind national und international Vorführungen geplant und die DVD wird über readytoflyfilm.com und Women's Ski Jumping USA (http://www.wsjusa.com/) verkauft. Ich hoffe der Film wird auch außerhalb der Region zu sehen sein, weil es großes Interesse daran gibt.

 

Berkutschi: Außer Zao fanden alle Damenwettkämpfe in der letzten Saison in Europa statt. Hattet ihr eine Art "zuhause" in Europa während der Saison? Wie gehst Du damit um so lange Zeit von Familie und Freunden getrennt zu sein?

 

Hendrickson: Letzten Winter, in der ersten Weltcup-Saison, war ich für zweieinhalb Monate ununterbrochen in Europa. Wegen der Junioren-WM konnte ich nicht nach Hause und war praktisch den ganzen Winter über dort. Als ich erfahren habe, dass es so sein wird wusste ich nicht wie ich damit umgehen soll. Ich war erst 17 und für so lange Zeit so weit von der Familie weg zu sein ist nicht so leicht. Und so lange mental auf Wettkämpfe eingestellt zu sein, kann auch körperlich schwer werden. Also zuerst wußte ich nicht wie ich damit umgehen soll aber als ich dann da war bin ich ziemlich gut gesprungen, das hat mir geholfen und ich hatte Spass. Ein Art "zuhause" in Europa - nicht wirklich. Mein Trainer Paolo ist aus Predazzo also bin ich ungefähr 3 mal dort gewesen. Deshalb wurde das so etwas wie unsere zweite Heimat. Das ist gut, aber sonst waren wir immer unterwegs.

 

Die tollen Ergebnisse von Sarah Hendrickson »

 

Berkutschi: Was genau hat Paolo Bernardi dem Damenskispringen in den USA gebracht? Welcher seiner Ansätze hat den größten Unterschied gemacht?

 

Hendrickson: Er arbeitet seit letztem Frühjahr mit unserem Team und wir haben die Trainer für die Weltcup-Saison gewechselt. Er ist toll, immer positiv und immer mit einer super Einstellung. In der Vergangenheit hat sich unser Team sehr viel mit dem Gerichtsverfahren und der Aufnahme in das Olympische Programm beschäftigt, und das war schwer. Aber er sorgt immer für positive Stimmung und hat eine wirklich gute Einstellung in unser Team gebracht.

 

Berkutschi: Welcher Wettkampf war der schwierigste für Dich in der letzten Saison?

 

Hendrickson: Ganz klar die Junioren-WM. Da es im Weltcup so gut für mich lief fühlte ich einen großen Druck von allen Seiten diesen Wettkampf zu gewinnen. Und als ich dort ankam bin ich nicht so gut gesprungen wie erhofft und das war nicht was ich erwartet hatte. Damit habe ich etwas gekämpft und der Druck hatte seine Auswirkungen. Aber das passiert, und es hat mich auf die WM und andere große Wettkämpfe vorbereitet. Auch dort wird es definitiv Druck geben.

 

Berkutschi: In der letzten Saison gab es die ersten Weltcupspringen für Damen. Die Continentalcup-Wettkämpfe sollten zur selben Zeit stattfinden, aber es gibt nicht genug Springerinnen für zwei unterschiedliche Wettkampfserien. Der COC wurde zu einer extra Trainingsmöglichkeit für die Top-Springerinnen wie Dich zwischen den Wettkämpfen auf höchstem Level. Glaubst Du es ist gut, dass am Ende die gleichen Athleten im Weltcup und im COC gestartet sind? Kann es sein, dass die FIS den Damenweltcup etwas zu früh eingeführt hat?

 

Hendrickson: Ich denke es ist toll, dass wir diesen Weltcup haben und in Zukunft freuen wir uns auf zwei unterschiedliche Serien. Das ist was wir wollen. Aber es ist jetzt erst der Anfang und darauf arbeiten wir hin. Auch bei den Männern passiert es manchmal, dass es einfach davon abhängt wo in der Welt du gerade bist und ob du auch an einem COC teilnehmen kannst. Diese Wettkämpfe sind ein gutes Training.

 

Berkutschi: Wie hast Du nach Deinem großen Erfolg gefeiert und entspannt?

 

Hendrickson: Nach der Saison bin ich nach Hause gekommen und es war natürlich schön, Zeit mit Freunden und verschiedenen Menschen zu verbringen und in einer Welt außerhalb des Skispringens zu sein in der ich den ganzen Winter über war. Ich bin mit meiner besten Freundin und meinem Vater in Hawaii auf Urlaub gewesen und es war schön dort nichts zu tun, nur am Strand zu liegen und entspannen… Und natürlich war es auch gut einmal nicht an das Skispringen zu denken.

 

Berkutschi: Hast Du in dieser Zeit auch Deine Skisprungkollegen getroffen oder hattest Du ein komplett anderes Umfeld?

 

Hendrickson: Die Mädchen aus meinem Team wohnen alle in Park City. Und was die Mädchen aus den anderen Ländern betrifft haben wir immer eine tolle Zeit dort, wir sind alle gute Freunde. Ich habe sie seit März nicht gesehen, aber ich freue mich auf jeden Fall darauf sie im Winter wieder zu treffen.

 

Berkutschi: Wie sieht Dein Training jetzt aus?

 

Hendrickson: Ich kann im Moment nicht springen weil ich im Frühjahr operiert wurde. ich habe mein Knie vor ungefähr einem Jahr verletzt und es hat mir im Winter etwas Probleme gemacht. Es war nichts sehr ernstes, aber die Operation war notwendig und es ist besser jetzt als im Jahr vor Olympia. Jetzt erhole ich mich davon und hoffe im September wieder springen zu können und danach für ein Trainingslager nach Italien zu reisen.

 

Berkutschi: Nächste Saison wird es im Weltcup mehr Wettkämpfe geben. Welche davon sind Dir besonders wichtig?

 

Hendrickson: Es ist auf jeden Fall gut, mehr Wettkämpfe zu haben. Ich denke alle Mädchen wollen mehr und mehr in den nächsten Jahren. Das wichtigste Ziel ist natürlich Sotschi, einfach weil es unsere ersten Sprünge auf der neuen Olympiaschanze sind und wir neugierig sind auf das, was uns erwartet und wie sich alles entwickelt.

 

Berkutschi: Du wirst Deinen historischen ersten Gesamtweltcupsieg verteidigen. Bist Du deshalb etwas nervös und glaubst Du, Du hast deshalb einen zusätzlichen Druck?

 

Hendrickson: Auf jeden Fall ist da etwas Druck, aber deshalb ist Skispringen Skispringen. Du musst mit diesem Druck umgehen und damit leben weil er während der ganzen Karriere da sein wird. Das macht einen guten Springer zu einem guten Springer, zu lernen mit dem Druck umzugehen und so gut wie möglich zu springen - egal bei welchem Wettkampf.

 

Berkutschi: Hast Du die neuen Anzüge schon probiert? Was ist Dein Eindruck?

 

Hendrickson: Wir machen unsere Anzüge jetzt in den USA. Der Trainer der Herren macht das für uns und er hat auch einen für mich gemacht. Ich habe ihn anprobiert aber kann darüber noch nichts sagen. Ich habe nur die Meinungen der anderen gehört. Die Regeln ändern sich, das passiert. Wir müssen das akzeptieren und damit weitermachen.

 

Berkutschi: Es gab auch andere Änderungen der FIS, wie die Erhöhung des BMI auf 21. Macht es das für Dich schwieriger?

 

Hendrickson: Ich bin etwas leichter und bin mit kürzeren Skiern gesprungen. Aber ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird.

 

Berkutschi: Was denkst Du über die Regelungen der FIS betreffend die Damenwettkämpfe? Zum Beispiel dass Wettkämpfe nur auf Schanzen mit maximal HS 118 ausgetragen werden dürfen? Ist das ein Schritt zurück oder erneut etwas worum es zu kämpfen gilt? Was denkst darüber ob Damen auf größeren Schanzen springen sollen?

 

Hendrickson: Als ich gesehen habe, dass wir hoffentlich am Holmenkollen springen können war das natürlich sehr aufregend. Ich denke alle Mädchen würden gerne auf größeren Schanzen springen. Persönlich würde ich gerne einmal skifliegen. Ich denke wir werden einfach weiter für mehr Wettkämpfe, mehr Großschanzen kämpfen. Ich denke wir sind auf dem Weg dahin, immer mehr Athletinnen springen auf dem erforderlichen höheren Niveau und sind in der Lage größere Schanzen zu beherrschen.

 

Berkutschi: Im diesjährigen Sommer Grand Prix wird es zum ersten Mal Mixed Team Wettkämpfe geben. Leider zählen die amerikanischen Springer nicht zur Weltklasse. Werdet ihr vorher auch zusammen trainieren?

 

Hendrickson: Wegen der nationalen Meisterschaften waren alle hier und wir haben die ganze Woche zusammen trainiert und werden bis zur Abreise der Herren nach Courchevel weiter gemeinsam trainieren. Sie springen auf jeden Fall besser als zuletzt und das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und im Skispringen weiß man nie: Es kann einfach "klick" machen und springt plötzlich richtig gut.

 

Berkutschi: Im Gegensatz zum Herrenteam, hat es die Amerikanische Damenmannschaft als eine der wenigen geschafft solides Sponsoring zu bekommen, welches sehr wichtig ist um im Sport erfolgreich zu sein. Wie habt Ihr es geschafft verlässliche Sponsoren zu bekommen?

 

Hendrickson: Ja, Sponsoren sind wirklich wichtig für unseren Sport. Skispringen ist in den USA nicht so populär. In anderen Ländern bekommen die Springer Hilfe vom Verband, wir haben das nicht und die Herren auch nicht. Natürlich braucht man Geld um zu reisen und gutes Equipment zu haben - leider ist das so. Aber wir Mädchen haben durch unseren Kampf um unsere Rechte und die Olympiateilnahme Aufmerksamkeit bekommen und ich glaube das hat uns geholfen. Die Herren hatten nicht so viel Glück. Wenn ihre Ergebnisse besser werden, werden sie mehr ins öffentliche Interesse rücken und wir werden so mehr Sponsoren bekommen können.

 

Berkutschi: Kannst Du uns sagen wie "Women's Ski Jumping USA" als Non-Profit Organisation funktioniert? Welche Unterstützung bekommt ihr von anderen Organisationen wie z.B. shejumps.org?

 

Hendrickson: Women's Ski Jumping USA wurde vor ein paar Jahren ins Leben gerufen, weil uns das US Ski Team finanziell nicht wirklich unterstützt hat und deshalb kommt das meiste Geld für uns von privaten Spendern. Wir haben Sponsoren wie VISA und USANA (Anm.: Hersteller von Zusatzernährung aus Utah) von denen wir Geld bekommen, aber es gibt auch viele Spenden, hauptsächlich für unsere Reisen. Das ist etwas kompliziert. Shejumps.org hat uns geholfen Aufmerksamkeit zu bekommen, damit mehr Menschen von uns hören. Das hilft.

 

Berkutschi: Von Dir wurde in Medien wie der Teen Vogue und dem Ralph Lauren Magazine berichtet. Welche andere Art der medialen Aufmerksamkeit hast Du seit dem Gesamtweltcupsieg erhalten?

 

Hendrickson: Ja, ich war in diesen Magazinen. Vor zwei Wochen war auch ein ziemlich großer Bericht über mich in Sports Illustrated, einem sehr bekannten Magazin hier in den Staaten. Das war eine Überraschung für mich. Ich habe nicht gewusst, dass es so eine große Geschichte wird. Aber das ist was wir brauchen. Wir brauchen jede Berichterstattung die wir über uns kriegen können. Skispringen ist nicht populär in den USA, wir sind gerade dabei die Aufmerksamkeit zu erhöhen, so dass die Leute uns in Zukunft auf unserem Weg zu Olympia bei Wettkämpfen sehen können.

 

Berkutschi: Wurdest Du bereits zu Talk-Shows im nationalen TV eingeladen oder hattest Du Photoshootings die Dir besonders Spass gemacht haben?

 

Hendrickson: Es gab nichts im Fernsehen. Nur das Shooting für Sports Illustrated und ein paar Kleinere, nichts sehr Großes.

 

Berkutschi: Also Du hast nicht das Problem, dass Dich Leute auf der Strasse erkennen?

 

Hendrickson: Manchmal ein paar hier in Park City weil es eine ziemlich kleine Stadt ist und weil öfters in der lokalen Zeitung über uns berichtet wird. Also ab und zu hier. Aber glücklicherweise nicht in größeren Städten.

 

Berkutschi: Glaubst Du, dass das Interesse der Medien dem Damenskispringen mehr Aufmerksamkeit bringen kann und so mehr Mädchen ermutigt werden auch mit dem Training anzufangen und an Wettkämpfen teilzunehmen?

 

Hendrickson: Auf jeden Fall. Ich sehe es so, dass wenn ein Artikel über mich geschrieben wird, dann in der Folge hoffentlich der Artikel von einem kleinen Mädchen oder ihrer Familie gelesen wird, und sich die Familien für den Sport interessieren. Wir brauchen eine höhere Anzahl an Athleten und die Berichterstattung wird uns am Ende sicher dabei helfen.

 

Berkutschi: Deine größte Rivalin in der letzten Saison war Daniela Iraschko, die elf Jahre älter ist und seit vielen Jahren auf höchstem Niveau springt. Was glaubst Du, war der wichtigste Faktor warum Du sie so oft besiegen konntest? Obwohl sie den Gesamtsieg im COC errungen hat, konnte sie Dich beim prestigeträchtigen ersten Gesamtweltcupsieg nicht gefährden. Glaubst Du, dass die Jugend und die Unbekümmertheit am Ende genug war um gegen die Erfahrung und die österreichische Skisprung-Philosophie zu gewinnen?

 

Hendrickson: Daniela ist eine tolle Sportlerin, sie springt ja schon viel länger als ich auf einem hohen Niveau. Ich weiß nicht genau, warum ich mental etwas stärker geworden bin als sie. Sie ist immer gut gesprungen und jeder Wettkampf ist anders. Dani ist eine starke Konkurrentin, aber es gibt ja auch noch Sara Takanashi, ein paar Deutsche und andere Japanerinnen die auf diesem Niveau springen. Jeder Wettkampf ist unterschiedlich. Wir arbeiten alle hart damit die Wettkämpfe spannend bleiben.

 

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