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Karl Geiger: "Es gibt nichts zu verteidigen, sondern es gibt was zu holen."

Erstellt am: 27.12.2021 18:23 / sk

Einen Tag vor Beginn der 70. Vierschanzentournee hat sich Top-Favorit und Lokalmatador Karl Geiger noch einmal den Fragen der Journalisten gestellt. 

Wie war Dein Weihnachtsfest?

Es waren echt ein paar gemütliche Tage und es hat richtig Spaß gemacht.

 

Du hast gesagt, bei deiner kleinen Tochter musst Du alles in Sicherheit bringen - steht der Weihnachtsbaum noch?

Er steht noch, aber wir haben auch nur einen kleinen Baum gehabt, den wir aufs Fensterbrett stellen können. Ich habe ihn dann auch noch angebunden, damit nichts passiert.

 

Du hast eine der kürzesten Anreisen. Wie war die Stimmung auf dem Weg durch Oberstdorf?

Also ich muss sagen, dass heute einiges los war auf der Straße. Auch generell im Ort war viel los. Ich hab aber auch das Gefühl, dass die Vorfreude auf die Tournee schon da ist – leider ohne Zuschauer, aber die Helfer brennen drauf und freuen sich auch.

 

Sind Heimspiele ohne Zuschauer einfach?

Nein, ich glaube, dass so etwas nie einfach ist. Es ist immer eine Chance und wenn die Zuschauer da sind, ist es einfach viel cooler. Es ist extrem schade, dass es dieses Jahr wieder so ist, aber ich nehme es, wie es ist und mache einfach das Beste draus oder versuche es zumindest.

 

Die Stärke des deutschen Teams ist die Homogenität. Rechtzeitig zur Tournee kommt Severin Freund zurück und das Team ist mit sieben Springern stark vertreten. Was traust du dir und deinen Mannschaftskollegen zu?

Ich glaube schon, dass wir gut aufgestellt sind und dass wir breit aufgestellt sind. Es ist auch sehr stark, dass der Severin sich zurück gekämpft hat und einen Platz erkämpft hat. Das ist echt nicht einfach. Ich glaube, wir sind mannschaftlich geschlossen echt gut. Dem ein oder anderen fehlt vielleicht noch ein bisschen die Konstanz, aber ich glaube, dass von den sieben Deutschen jeder ein gutes Ergebnis machen kann.

 

Was habt ihr nach Engelberg unternommen?

Wir haben tatsächlich letzte Woche hier in Oberstdorf trainiert. Das Wetter war ein bisschen anders als es jetzt für die Tournee vorhergesagt ist. Wir hatten, glaube ich, minus 15 Grad und strahlend blauen Himmel. Jetzt wird es ein bisschen regnerisch werden, aber wir hatten echt noch zwei gute Einheiten auf der Schanze und ich glaube, dass das noch gut war.

 

Wie wichtig ist es, dass Severin Freund wieder mit seiner Tourneeerfahrung dabei ist? Hat er eine gewisse Ratgeberfunktion?

Es ist immer gut, Severin im Team zu haben. Er ist ein extrem genialer Kollege. Er begleitet uns schon lange und es ist sehr beeindruckend, wie er die ganze Situation mit seinen Verletzungen aufgenommen hat, wie er damit umgeht und wie er das Team unterstützt hat. Er hat keine ratgebende Funktion, denn die meisten, die jetzt dabei sind, machen es auch nicht zum ersten Mal. Er unterstützt einfach das Team und tut dem Team gut. Deswegen ist es sehr sehr gut, wenn er dabei ist.

 

Verspürst Du einen erhöhten Druck, weil Du im gelben Trikot als Favorit in die Tournee gehst?

Das kann ich noch nicht so sagen. Tatsächlich ist es dieses Jahr nicht viel anders als in den letzten Jahren, als ich zur Tournee gekommen bin. Der Druck war in den letzten Jahren schließlich auch nicht wenig. Ich glaube schon, dass ich durch die letzten Jahre dazugelernt habe und ich fühle mich auf jeden Fall der ganzen Sache gewachsen. Ich fühle mich bereit und ich freue mich auf die Wettkämpfe. Was dann letztlich dabei rauskommt, steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich fühle mich gut, hatte schöne Weihnachten und freue mich auf die Tournee.

 

Kannst du dich an deine erste Tournee erinnern?

Ich erinnere mich sehr gut an meine erste Tournee, weil da bin ich in Oberstdorf als 51. in der Quali ausgeschieden. Das war von den Emotionen nicht so positiv. Das war eine sehr bittere Nummer. Im Jahr danach ist es nochmal passiert. Ich hab bei der Tournee das Spektrum der Emotionen schon komplett ausgenutzt. Ich glaube, wenn man sich die Ergebnisse anschaut, ist es von Jahr zu Jahr immer besser geworden. Ich weiß, dass mir die Schanze in Oberstdorf nicht auf den Leib geschneidert ist. Ich habe mir das alles hart erarbeitet. Dass ich letztes Jahr gewinnen konnte, war überragend. Ich weiß, dass ich die Schanze kann, aber es wird nicht einfach und ich mich muss mich jeden Tag konzentrieren. Ich hoffe, dass das Tourneeglück in diesem Jahr vielleicht mal auf einen der Deutschen fällt.

 

Der Bundestrainer hat gesagt, Karl Geiger musste das Siegen lernen. Wie lernt man das Siegen?

Immer, wenn man in einen Wettkampf geht, ist der Sieg das Ziel. Bei mir war es in jungen Jahren so, dass ich zwar gewinnen wollte, aber viel zu weit davon weg war. Über die Jahre habe ich das Siegen gelernt, weil ich mich stetig weiterentwickelt habe und mein Sprung kontinuierlich immer ein kleines bisschen besser geworden ist. Irgendwann ist es dann mal passiert und ich stand ganz oben. Da passiert schon etwas mit einem, weil man sonst immer hinterhergelaufen ist und plötzlich ist man der Beste von allen. Ab da gibt es schon Selbstvertrauen zurück, weil man merkt, dass man es wirklich kann, wenn alles passt. Das hat mich weiter angespornt, da dranzubleiben und dann ist es ja glücklicherweise öfter passiert.

 

Ist die 70. Tournee etwas Besonderes und spielt „20 Jahre Hannawald“ eine Rolle?

Von der Zahl her spielt das natürlich eine Rolle, aber das ist für mich auch nur eine Zahl. Die Tournee geht morgen mit der Quali los. Dann geht sie zehn Tage und dann ist es vorbei. Ob es jetzt das das Jahr 2020, 2021 oder 2022 ist, spielt keine Rolle. Man muss einfach seine sieben Sachen beieinander haben und das Ding irgendwie bewältigen.

 

Zum Tourneestart ist die nationale Gruppe noch nicht dabei. Was macht das mit der Atmosphäre im Team?

Ja, man merkt es im Teamhotel. Es ist deutlich weniger los, wenn die nationale Gruppe nicht dabei ist, weil es wären nochmal sechs Athleten, ein paar Trainer und Physios mehr, weil wir auch in getrennten Bubbles unterwegs sein werden. Jetzt zum Start ist es schon ein bisschen schade. Man ist es schon gewohnt, dass die nationale Gruppe dabei ist, aber die kommen ja in Garmisch wieder dazu und da freue ich mich schon drauf. Die Jungs haben auch einiges drauf und bei so einem Tourneewettkampf starten zu dürfen, ist cool.

 

Welche Auswirkung haben warme Temperaturen auf die Präparation der Ski?

Auf die Ski direkt, da müsstet ihr mit unseren Technikern reden, denn die können das ganz genau erklären. Ansonsten ist es ganz einfach. Wenn man selber raus geht, fühlen sich minus 15 Grad einfach anders an als plus drei Grad. Aber im Endeffekt bleibt das Springen gleich. Ich schaue das ich mich auf meine Sachen fokussiere und ich vertraue unseren Betreuern voll und ganz, dass sie den Rest auch gut machen.

 

Die Frage nach deinen größten Konkurrenten: Traust du auch deinem eigenen Team Siege zu?

Tue ich! Speziell aufs eigene Team auf jeden Fall, denn wir sind echt gut aufgestellt. Die Tournee hat ihre eigenen Regeln. Da kann auch immer mal wieder einer aus der Kiste kommen und auch bei uns im Team finde ich, dass da wirklich Potenzial da ist. Speziell der Markus (Eisenbichler) springt sehr gut. Da bin ich auch sehr froh, dass es nicht nur irgendwie auf mich fokussiert ist, sondern auch ein anderer wirklich gut ist. Auch der Pius (Paschke), Constantin (Schmid), Andi (Wellinger) und Stephan (Leyhe) machen alle gute Sachen. Ich bin gespannt, wie es wird, international sind es die üblichen Verdächtigen mit Kobayashi. Er springt sehr gut – vor allem die letzten Wochen. Von jeder Nation sind 1-2 Leute dabei, die man auf der Rechnung haben muss. Wir warten jetzt einfach mal ab und schauen, was in Oberstdorf auf der Liste steht und dann schauen wir weiter.

 

In den vergangenen Jahren hat es in Innsbruck immer einen Bruch gegeben. Kannst Du aus den vergangenen beiden Jahren Deine Lehren ziehen?

Kann man, ja, und das habe ich auch gemacht. Wir sind im Sommer mehrmals auf der Schanze gewesen. Wie sie ganz genau funktioniert, das kann ich auch nicht sagen, aber wir haben uns was zurechtgelegt und das werden wir einfach mal durchziehen in Innsbruck.

 

Erstmals gibt es ein Rekordpreisgeld, von bislang 20.000 Franken wurde um 80.000 Franken auf 100.000 Franken für den Tourneesieg erhöht. Wie sehr siehst du das auch als Anerkennung eurer Leistungen?

Ja, ich finde wirklich, dass es auf jeden Fall ein Zeichen der Anerkennung ist. Ich glaube auch die Vierschanzentournee ist ein spezielles Event. Vor allem ist es ein kräfteraubendes Event, das kann ich euch versichern. Wenn dort wirklich jemand nach zehn Tagen den goldenen Adler hochheben kann, dann hat er schon wirklich was geleistet. Und wenn das auch finanziell honoriert wird, ist das wirklich ein Zeichen der Wertschätzung. Ich finde auch, dass es gut so ist, denn auch die Sieger von der Streif kriegen für die extreme Abfahrt eine gewisse Prämie. Ich glaube, so eine Vierschanzentournee hat schon auch einen gewissen Stellenwert, deshalb finde ich das ziemlich cool.

 

Gibt es Neuigkeiten beim Material?

Es gibt nix konkretes, nein.

 

Eine Frage zu Daniel Andre Tande. Springt nach so einem schlimmen Sturz die Angst immer mit?

Ich glaube, er hat das echt ziemlich gut überwunden. Man weiß es natürlich nie, weil man nie in den Kopf reinschauen kann. Ich verstehe mich echt gut mit ihm und habe ein paar Mal mit ihm geredet. Ich würde jetzt von weiter Ferne nicht sagen, dass es ihm schlecht geht. Ich glaube, er freut sich einfach, dass er auf den Ski stehen darf und da runter darf. Ich weiß nicht, ob er konstant genug ist, um in der Gesamtwertung eine große Rolle zu spielen, aber ich traue es ihm auf jeden Fall zu, immer mal wieder gute Wettkämpfe zu machen – auch bei der Tournee.

 

Wirst Du offensiv hier in die Tournee gehen? Also so, dass du sagst: Ich will gewinnen.

Ja, das glaube ich schon, aber so gehe ich an jeden Wettkampf, weil es nichts zu verteidigen gibt. Es ist egal, was die letzten Wochen war. Es gibt ein Selbstvertrauen, dass ich weiß, dass die Sprünge kommen aber wir fangen morgen bei null an. K. Ich werde alles geben, was ich habe. Ob es reicht, weiß ich nicht, aber ich werde mir nach der Tournee nicht vorwerfen, dass ich nicht alles gegeben habe.

 

Wo würdest du einen Gesamtsieg bei der Tournee einordnen?

Schwierige Frage. Die Tournee steht schon lange auf der Agenda, auch vom deutschen Team und auch von mir persönlich. Es ist ein cooles Event und irgendeiner von uns sollte das jetzt mal holen. Von dem her glaube ich, dass das mannschaftlich schon einen sehr hohen Stellenwert hat. Wir waren schon oft nah dran, aber halt eben gerade so nicht. Was dann im Endeffekt höher gewichtet ist, kann man nicht sagen. Es hat alles für sich seinen eigenen Stellenwert, aber die Tournee ist auf jeden Fall auch etwas, was einen extrem hohen Stellenwert hat.

 

Welchen Stellenwert hat die Tournee in einer olympischen Saison?

Die Tournee ist nicht das große Highlight, aber ein großes Highlight. Olympia ist schon noch mal was anderes. Es ist nur alle vier Jahre und ich habe Olympia als Kind 2002 sehr ausgiebig im Fernseher verfolgt und fand es so unglaublich cool, dass Olympia für mich schon was Besonderes ist. Aber auch die Tournee ist etwas Besonderes für mich. Das gilt aber auch für eine Skiflug-WM und einen Gesamtweltcup. Ich fixiere mich da nicht. Es gibt viele Highlights und vielleicht läuft’s bei einem besonders gut, das wäre schön.

 

Wie wichtig sind Emotionen?

Ich würde sagen: Emotionen ja, aber zur richtigen Zeit. Zumindest ist es so meine Erfahrung, die ich gemacht habe. Wenn ich einen extrem guten ersten Durchgang hatte und ich bin dann zu euphorisch an den Start vom zweiten Durchgang gegangen, ist der zweite Durchgang nicht unbedingt gut geworden. Da war ich dann vielleicht auch ein bisschen zu abgelenkt. Wenn ein erster Durchgang gut war, freue ich mich kurz, aber für mich ist es dann wirklich wichtig, mich gleich wieder auf den zweiten Sprung zu fokussieren. Wenn der dann gelingt, dann freut man sich auch sehr.

 

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