Andreas Wellinger: "Ich versuche das hohe Niveau bis Ende März zu halten"

Erstellt am: 08.10.2016 19:17 / sk

Andreas Wellinger, 21, Skispringer.
Trotz seines Alters von grade mal 21 Jahren hat Wellinger in seinem Sport bereits Höhen und Tiefen erlebt wie kaum ein anderer.
Senkrechtstarter, Weltcupsieger, Team-Olympiasieger, Skiflug-Vizeweltmeister mit dem Team, Sunnyboy, Liebling der Fans, Modellathlet.
Der immer gut gelaunte Mann vom SC Ruhpolding hat sich in diesem Sommer blendend präsentiert und steht nun vor einem wegweisenden Winter.
Wir haben uns mit dem sympathischen Bayern unterhalten.

Berkutschi: Andreas, herzlichen Glückwunsch zum zweiten Platz im Grand Prix 2016. Tolle Ergebnisse in diesem Sommer, unter anderem der Sieg in Hinterzarten. Wie wichtig ist das Ergebnis des Sommers speziell und die Wettkampfserie im Sommer im Allgemeinen?

Andreas Wellinger: Es ist natürlich ein extrem gutes Gefühl wenn man im Sommer merkt, dass man schon ganz gut mit dabei ist. Die Sommer- und Wintersaison kann man aber, glaube ich, nicht direkt vergleichen.
Ich bin aber schon froh über den zweiten Platz, weil meine Leistungen den ganzen Sommer über konstant waren. In den letzten Wettkämpfen war ich auch nah dran am Podest. In Klingenthal wusste ich, wo die Fehler lagen, der 14. Platz dort war trotzdem noch in Ordnung. Deshalb sind die Wettkämpfe als Orientierung schon ganz gut.

 

Berkutschi: Auf deinem Konto als Skispringer steht ein Weltcupsieg in Wisla aus dem Januar 2014 und drei zweite Plätze aus den Jahren 2012 (Engelberg) und 2013 (Engelberg und Klingenthal). Team-Olympiasieger 2014 in Sochi. Dann kam der üble Sturz vom Dezember 2014 in Kuusamo. Der hat Dir praktisch den ganzen Winter 2014/2015 gekostet, auch wenn du zum Ende noch im Weltcup gestartet bist. Ist dieser Sturz raus aus deinem Kopf?

Wellinger: Ich glaube ganz weg bekommt man sowas nie, weil es ein so einschneidendes Erlebnis ist. Ich würde sagen, dass er mich nicht mehr beeinträchtigt. Ich bin auch überzeugt davon, dass man aus negativen Dingen oft mehr lernt als aus positiven, weil man dann weiß, wie es nicht geht und man, falls man wieder in so eine Situation kommt anders reagieren kann. Der Sturz war in erster Linie mein Verschulden. Deswegen glaube ich, dass es mich langfristig eher weitergebracht hat. In der Situation war es natürlich schlecht, aber es war "nur" eine Schlüsselbeinverletzung, die im Skispringen keine extrem lange Pause mit sich bringt. Daher ging es auch relativ schnell wieder bergauf. Man lernt dazu und nimmt Erfahrungen mit, die einem weiterhelfen können.

Ergebnisse von Andreas Wellinger

Berkutschi: Simon Ammann hat einmal gesagt: Skispringen ist nicht gefährlich, wenn dein System stabil ist. Das ist auch deine Meinung, oder?

Wellinger: Genau. Es ist egal bei welchen Bedingungen, wenn das System Körper-Ski funktioniert und stabil ist, dann macht es nichts aus, wenn man etwas zu spät an der Kante ist oder etwas mehr Wind ist. Man musste nur im letzten Winter Peter Prevc anschauen. Er war einfach, was das Sprungsystem betrifft, der Stabilste und hat damit die größten Erfolge erzielt.

 

Berkutschi: Unser Berkutschi-Experte hat deine Sprünge in diesem Sommer angeschaut und gesagt du springst extrem stabil. Er hat dich super stark und auf einem technisch sehr hohen Niveau gesehen und meint du hast jetzt genau das richtige Alter und genau die richtige Erfahrung. Er geht davon aus, dass wir dich im Winter öfters auf dem Podest sehen werden und traut dir ganz viel zu. Ist das deiner Meinung nach eine realistische Einschätzung?

Wellinger. Das ist ein großes Lob, ich muss es aber erst umsetzen. Ich glaube, dass ich mich im Sommer weiterentwickelt habe, auch dahingehend den Sprung stabiler zu gestalten, damit weniger Abweichungen im Sprung und auch in der Platzierung herauskommen. Ob es schon dafür reicht in diesem Winter konstant um Siege und Podestplätze mitzuspringen, da können wir am 20. März noch einmal darüber reden. Es ist natürlich das Ziel. Jeder der an den Start geht, will am liebsten gewinnen. Manchmal gehört da etwas Glück dazu, dann braucht man auch die Kontinuität, die ich mir, glaube ich, im Sommer noch besser antrainiert habe. Ich werde mir natürlich Mühe geben, diese Einschätzung auch umzusetzen.

 

Berkutschi: Der Eindruck stimmt aber, dass du jetzt noch etwas besser bist, als du es in den letzten Jahren schon warst?

Wellinger: Das würde ich so sagen. Wirklich wissen ob es auch so war, kann ich aber erst nach dem Winter. Ich habe im Training im Sommer versucht meinen Sprung so zu stabilisieren, dass ich auch bis zum letzten Wettkampf Ende März vorne mitspringen kann. In den letzten Jahren ging es Ende Januar, Anfang Februar tendenziell eher bergab. Jetzt versuche ich das Niveau noch länger hoch zu halten.

 

Berkutschi: Dein lila Helm ist eigentlich eine ganz besondere Auszeichnung, denn du bist damit, was die Farbe betrifft und auch die Erwartungshaltung von manchen Leuten, der Nachfolger von Martin Schmitt. Siehst du das so, oder ist es dir völlig egal wer vorher als Einziger den lila Helm getragen hat?

Wellinger: Es ist auf jeden Fall eine Ehre für mich, ich bin der einzige Mann der einen lila Helm tragen darf und die Auswahl bei den alpinen Damen ist auch relativ gering. Ich sehe mich aber nicht als Nachfolger von Martin Schmitt, was anfangs immer mal wieder zu lesen war. Er ist ein anderer Typ als ich und seine große Zeit ist auch schon etwas her. Damals war ich ein Kind und habe mit dem Skispringen begonnen. Er ist aber natürlich auch ein Vorbild und so ein Symbol weiter tragen zu dürfen ist eine Ehre für mich. Sollte ich irgendwann mal in die Situation kommen sagen zu können dass ich das Gleiche erreicht habe wie er, dann kann man sehr, sehr zufrieden sein. Aber bis dahin muss noch viel passieren. Ich wäre schon zufrieden wenn ich ansatzweise in diese Region kommen könnte. Dafür habe ich zum Glück noch ein paar Jahre Zeit.

 

Berkutschi: Vielen Dank für das Interview.