Wer gewinnt die Vierschanzentournee?

Erstellt am: 23.12.2015 10:56 / sk

Es ist wie immer vor der Vierschanzentournee: Die Favoriten sind klar definiert, doch der Ausgang des Skisprunghighlights des Jahres ist wieder einmal völlig offen. Die deutschen Skisprungfans hoffen auf einen Gesamtsieg von Severin Freund (Rastbüchl), doch der Sieg führt nur über den Weltcupführenden Peter Prevc aus Slowenien.

Der 23-jährige dominierte den bisherigen Skisprung-Weltcup mit einer beeindruckenden Bilanz: In sieben Wettbewerben stehen für Prevc drei Siege und zwei zweite Plätze zu Buche, nur in Lillehammer gab es mit Rang elf einen einzigen negativen Ausreißer. Mit 564 Punkten führt der Slowene unangefochten den Gesamtweltcup an, vor Severin Freund (399) und Kenneth Gangnes (Norwegen, 370).

 

Wenn es mit der Vierschanzentournee nur so einfach wäre. In den vergangenen Jahren scheiterten gerade die Weltcupführenden, wie zuletzt Anders Fannemel (Norwegen, 2014/15), Kamil Stoch (Polen, 2013/14) oder auch Andreas Kofler (Österreich, 2011/12). Tragischer Held in dieser Kategorie ist übrigens der Schweizer Simon Ammann, der im Dezember 2008 und 2009 sogar zweimal hintereinander als Weltcupführender zur Tournee anreiste und am Ende leer ausging.

 

Bezeichnend: Nur zweimal schaffte es in den vergangenen acht Jahren die Nummer eins des Weltcups, auch die Vierschanzentournee zu gewinnen, das waren die beiden Österreicher Gregor Schlierenzauer (2012/13) und Thomas Morgenstern (2010/11). Zuvor hatten dies auch Jakub Janda (Tschechien, 2005/06) und Janne Ahonen (Finnland, 2004/05) erreicht. Das macht also vier Springer in 15 Jahren und eine Tournee-Erfolgsquote für die Topfavoriten von nicht einmal 27 %.

 

Da können die deutschen Skisprungfans fast froh sein, dass Severin derzeit nur auf Rang zwei im Gesamtklassement liegt und die Bürde des Topfavoriten abgelegt hat. Der Überflieger der vergangenen Saison verbuchte in diesem Winter zwei Siege(Lillehammer und Nizhny Tagil) sowie Platz drei beim Weltcupauftakt in Klingenthal. Bei den jüngsten drei Weltcupspringen in Nizhny Tagil und Engelberg waren die Ergebnisse mit den Plätzen 12, acht und sechs allerdings eher durchwachsen. Die Tournee-Generalprobe misslang auch Richard Freitag aus Aue. Beim letzten Wettkampf vor dem Auftaktspringen war der 24-jährige am Sonntag in Engelberg nach einem starken zweiten Sprung nach der Landung gestürzt und vergab damit als Siebter einen Platz auf dem Siegerpodest.

 

Den Tourneesieg vergaben die deutschen Adler in der Vergangenheit jedes Mal bereits in Oberstdorf, hier wurde Severin Freund im vergangenen Jahr 13., Richard Freitag 15. Mit so einem schlechten Tourneestart hat man keine Chance mehr auf den Titel, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. In den vergangenen 45 Jahren schaffte kein einziger Springer den Tourneetriumph, wenn er in Oberstdorf nicht bereits unter den Top Ten landete. 18 Jahre lang in Folge waren die Tourneesieger nicht schlechter als mit Platz fünf zum Auftakt gestartet.

 

Zuletzt war der Schattenberg bekanntlich fest in der Hand der österreichischen Skispringer. Bei ihren sieben Tourneegesamtsiegen in Folge gewannen die Adler von „Skijumping Austria“ viermal auch in Oberstdorf, und zwar Stefan Kraft (2014/15), Gregor Schlierenzauer (2011/12), Thomas Morgenstern (2010/11) und Andreas Kofler (2009/10). Wolfgang Loitzl (2008/09) und Gregor Schlierenzauer (2012/13) legten jeweils mit einem zweiten Platz in Oberstdorf den Grundstein für den späteren Tourneeerfolg, Thomas Diethart war 2014/15 beim Auftakt immerhin Dritter geworden. Interessant dabei: Thomas Diethart und Vorjahressieger Stefan Kraft hatten bei ihren Erfolgen vor der Tournee nicht wirklich zum engen Favoritenkreis gezählt.

 

Mit Spannung erwartet die Skisprungszene bei der 64. Vierschanzentournee den Auftritt der neu formierten Mannschaft aus Norwegen. Nach dem Karriereende von Anders Bardal und Anders Jacobsen hat sich in diesem Winter mit Kenneth Gangnes, Johann Andre Forfang und Daniel-Andre Tande ein neues Top-Trio geformt, das geschlossen in der Weltspitze mitmischt. Im Gesamtweltcup belegen die Norweger die Ränge drei bis sechs und liegen damit unmittelbar vor Michael Hayböck (Österreich), Richard Freitag und dem erst 16-jährigen Domen Prevc, dem jüngeren Bruder von Peter Prevc.

 

Die Vierschanzentournee hat bereits viele kuriose Geschichten geschrieben. Dass ein Brüderpaar gemeinsam die Schanzen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen rockt, wäre eine ganz neue Episode, die der Diva Vierschanzentournee sicher gut gefallen würde.