„Damit war nicht zu rechnen“

Erstellt am: 05.03.2015 08:57 / sb

In der Interviewreihe „Berkutschi-Talk“ präsentieren wir Gespräche mit Aktiven und Offiziellen rund ums Skispringen. Heute: Alexander Stöckl (41), norwegischer Skisprung-Nationaltrainer.

Berkutschi: Hallo Alex, herzlichen Glückwunsch zur überragenden Weltmeisterschaft für dein Team.
Wie fällt dein Fazit nach Falun aus?
Alex Stöckl: Wir sind natürlich mehr als zufrieden, das war wesentlich besser, als erwartet. Dass man mit vier Medaillen von einer Weltmeisterschaft nach Hause fährt, ist etwas sehr spezielles. Damit war nicht zu rechnen.


Berkutschi: Dass man mit den Norweger rechnen musste, war klar. Dass dann aber Rune Velta zum besten Mann avanciert, kam doch etwas überraschend. Hättest du dein Geld auf ihn gesetzt?
Stöckl: Dass er gleich im ersten Wettbewerb Gold holt, hatte ich nicht erwartet. Ich wusste aber, dass er um die Medaillen mitspringen kann. Er war sehr stabil über die Saison und hatte eine gute Formkurve hin zur WM. Das Gefühl vor der WM war gut. Damit, dass er so einschlägt, hätte man aber nicht rechnen können. Da hat alles gepasst, auch ein bisschen Zufall und Glück.


Berkutschi: Was war dein persönliches Highlight der WM?
Stöckl: Sicherlich der Mannschaftswettbewerb. Wir sind ja schon oft vorn mitgesprungen und haben Medaillen geholt. Nachdem ich aber gehört hab, dass das mit Gold in Norwegen schon ziemlich lang her ist, war es sehr speziell. Dass es 22 Jahre waren und beim letzten Mal auch in Falun, wusste ich nicht. Zum Glück (lacht). Das hat man mir erst hinterher erzählt. Aber Rune Velta mit vier Medaillen sticht aus dem ganzen schon noch einmal heraus.


Berkutschi: Vor zwei Jahren in Val di Fiemme gab es die kuriose Situation, dass ihr die Mannschaftsmedaille eigentlich schon hattet und dann ein Fehler festgestellt wurde. Am Ende seid ihr leer ausgegangen. War das noch einmal eine zusätzliche Motivation?
Stöckl: Das hat sicher geholfen. Das ist damals einfach dumm gelaufen. Es war ein Fehler der FIS. Man hat sich bei uns entschuldigt und wir haben das akzeptiert. Schlussendlich hatten wir eben nicht genügend Punkte für die Medaille. Ich glaube aber daran, dass man so etwas langfristig wieder zurückbekommt. Das Pech, das wir damals hatten, kam diesmal als Glück zurück. Und in Summer war es dann die Goldmedaille.


Berkutschi: Wie hart war der Kampf für Anders Bardal, rechtzeitig zur WM wieder fit zu werden?
Stöckl: Der war eigentlich gar nicht so hart. Die Handverletzung hat ihn jetzt nicht unmittelbar vom Training abgehalten. Er konnte natürlich eine Weile nicht springen, aber hat die gesamte Zeit über Krafttraining absolviert. Vom technischen her war er schon zuvor auf sehr hohem Niveau. Er hat den Vorteil gehabt, dass er sehr ausgeruht zur WM fahren konnte. Ich denke, dass er insgesamt mit Falun sehr zufrieden sein kann. Natürlich wäre er in den Einzelwettbewerben auch gern vorn mitgesprungen.


Berkutschi: Als du deinen Vertrag im vergangenen Jahr bis 2018 verlängert hast, sagtest du, dass du noch ein gutes Stück Weg vor dir hast. Aktuell haben die Norweger bereits eine Vielzahl an jungen, vielversprechenden Springern, von denen etliche bei dieser WM noch überhaupt keine Rolle gespielt haben. Wohin soll der Weg denn noch führen?
Stöckl: Das Ziel ist ein langfristiges System, das über mehrere Jahre Topspringer produziert. Das schaut jetzt ganz gut aus. Wir haben junge Athleten, die schon auf einem sehr hohen Niveau sind. Zuvor waren die Norweger ja bekannt dafür, dass sie erst mit 22 oder 23 Jahren im Weltcup auftauchen. Wir haben jetzt Athleten, die die Junioren-Weltmeisterschaft gewinnen und anschließend bei der Senioren-WM dabei sind. Das ist ein super Zeichen. Dieses System versuchen wir weiter zu entwickeln.


Berkutschi: Ein großes Thema der letzten Wochen war auch der Weltrekord von Anders Fannemel. Wo ist aus deiner Sicht die Grenze beim Skifliegen? An welchem Punkt wird es ungesund?
Stöckl: In Vikersund wird es glaube ich ab 252 Metern ungesund. Man hat das bei Dimitry Vassiliev gesehen. Er ist weiter gesprungen und hatte keine Chance, den Sprung zu stehen. Diese Anlage ist also wohl ausgereizt. Jetzt muss man sehen, was in Planica passiert. Aber solange sich am Reglement der FIS nichts ändert, werden wir keine bedeutend größeren Weiten sehen.


Berkutschi: Andreas Goldberger hatte gesagt, dass er nicht glaubt, dass ein Springer beim Fliegen über mehr 10, 15 Sekunden die nötige Körperspannung halten kann. Spielt das ebenfalls eine Rolle?
Stöckl: Ja richtig. Es gibt irgendwann eine natürliche Grenze. Auch vom Gelände. Man muss ja auch erstmal einen Hang finden, wo man so eine Schanze hin bauen kann. Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden, mit dem, was die FIS macht. Es ist richtig, das Reglement stufenweise zu verändern. Damit hält man es spannend. Der Ansatz, den Rekord über mehrere Jahre aufrecht zu halten, ist richtig. Wenn es jedes Jahr Rekordsprünge gibt, wird es langweilig.


Berkutschi: Die Saison ist noch nicht ganz vorbei. Was habt ihr euch für die letzten Wettbewerbe vorgenommen?
Stöckl: Ich hoffe, dass die Athleten auf dem gleichen Niveau weiter springen. Sie konnten sich jetzt ein bisschen ausruhen.


Berkutschi: Wie groß ist die Vorfreude darauf, mit den Weltmeistern nach Oslo an den Holmenkollen zu reisen?
Stöckl: Ja, das ist natürlich super. Mit dem Mannschaftsweltmeister auf heimischem Boden einen Wettbewerb zu bestreiten, ist eine tolle Sache. Ich hoffe, dass viele Zuschauer kommen. Es wurde viel Werbung gemacht, wir haben unseren Teil auch dazu beigetragen (lacht).


Berkutschi: Du bist jetzt seit vier Jahren in Norwegen. Was macht das Leben in Norwegen aus?
Stöckl: Ich fühle mich sehr wohl hier oben. Ich habe das Gefühl, dass der Norweger grundsätzlich nicht so viel anders ist als der Österreicher. Man hat hier diese gewisse Leichtigkeit des Seins. Vielleicht sogar ein wenig mehr als in Österreich. Ich bin gemeinsam mit meiner Freundin hier inzwischen ein Teil der Gesellschaft. Wir sprechen die Sprache und haben uns gut eingelebt. Es macht Spaß.


Berkutschi: Welche Schlagzeile würdest du gern am Ende der Saison übers norwegische Skispringen lesen? Oder hast du die schon gelesen?
Stöckl: Die schönsten sind schon durch (lacht). Wir sind Weltmeister mit der Mannschaft.