Expertenkolumne: "Es gibt noch etwas zu tun"

Erstellt am: 30.11.2014 12:43 / sb

Von Thorsten vom Wege
Vielleicht lag es  daran, dass es das erste Springen der neuen Saison war.

Weil überraschenderweise einige Plätze leer blieben, in der Vogtlandarena in Klingenthal. An den insgesamt hervorragenden Leistungen der Organisatoren kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Und auch die teilnehmenden Teams trugen ihren Teil dazu bei, dass der Weltcupauftakt im Spätherbst bei frühlingshaftem Wetter im Musikwinkel Sachsens so völlig ohne Misstöne ablief.
Nicht nur für die gastgebenden Deutschen war das erste Weltcupwochenende im WM-Winter eine saubere Sache. Die DSV-Adler holten sich den Sieg im Teamwettbewerb, Platz 3 im ersten Einzelspringen durch Andreas Wellinger und platzierten gleich fünf Athleten unter den besten 20. Auch die Nationalmannschaften aus Norwegen, Tschechien mit Auftaktsieger Roman Koudelka, die Schweizer – im Teamwettbewerb vor Österreich – dazu Stefan Kraft, Altmeister Noriaki Kasai, Peter Prevc, sie alle wissen, dass im Sommer gut gearbeitet worden ist. Mehr kann man sportlich von einem Auftakt nicht erwarten.
Aber wo blieb das Publikum? Rund 18.000 Besucher an drei Tagen sind für die Ansprüche, die man im sächsischen Skisprung-Mekka an sich selbst hat, einfach nicht genug. Um das zu verstehen, genügt ein Blick in die eigene Geschichte. Beim Weltcup 1986, damals noch auf der alten Aschbergschanze, wollten 32.000 Fans die Springer sehen. Zur Weihe der alten „Asch“ sollen sogar 70.000 Zuschauer dabei gewesen sein.  Nun haben sich die Zeiten geändert, das Freizeitangebot ist breiter geworden, die Eintrittspreise höher. Aber dennoch fehlt irgendwie die letzte sinnstiftende Erkenntnis, warum es in diesem Jahr nicht geklappt hat, mit den fünfstelligen Besucherzahlen am Samstag und am Sonntag.
Am Wetter kann es nicht gelegen haben; die Werbetrommel hatte man im Vorfeld auch kräftig gerührt. Durch die aufwändige und in den Medien breit dargestellte Präparation der Schanze mit Kunstschnee und durch die Windnetze herrschte Planungssicherheit und immerhin – mit Lokalmatador Richard Freitag als Sieger des Sommer-Grand -Prix-Finals an gleicher Stelle sieben Wochen zuvor und dem deutschen Gold-Quartett von Sotschi am Start gab es auch ausreichend sportliche Zugnummern für die Fans aus dem Gastgeberland. Und dennoch blieb es luftig auf den Traversen.
Was wiederum auch etwas Gutes hat. Denn es gibt für die Organisatoren eines ansonsten nahezu perfekten Weltcup-Auftakts doch noch eine Aufgabe zu lösen im kommenden Skiwinter. Und die lautet: Wie bewege ich den geneigten Skisprung-Fan, sich nach Klingenthal zu bewegen? Hilfreich dabei sind vielleicht drei Punkte: Erstens -  Klingenthal liegt im Vogtland, aber nicht hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen. Hier gibt es Elektrizität, Bohnenkaffee und sogar richtige Straßen. In der  Vergangenheit hatte man manchmal den Eindruck, der eine oder andere Berichterstatter – so nicht selbst anwesend – verorte die Arena in einem Wald, in dem sich Baba-Jaga, Ali Baba und die 40 Räuber und Rübezahl auf die Füße treten.  Zweitens -  Roman Koudelkas Sieg ist vielleicht der Türöffner, der auch den Skisprungfreunden in Tschechien eine Reise ins Vogtland schmackhaft macht. Und Drittens – Weil Klappern zum Geschäft gehört, sollte man vielleicht sportliche Synergien nutzen – Werbung im Programmheft beim Handball, Fußball, Basketball in Magdeburg, Leipzig, Dresden und Weißenfels müssen nicht zwingend schädlich sein – und sind vielleicht sogar über Kompensationsgeschäfte zu  finanzieren: Stichwort Flugbegleiter und Freikarten.
Grundsätzlich aber gilt: Der Auftakt war toll – die Messlatte für die anderen Weltcuporte liegt hoch. Danke, Klingenthal!


Thorsten vom Wege (49) ist Sportjournalist und arbeitet für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Er berichtet seit 1992 vom Skispringen und ist Mitglied des "Forum Nordicum".
Das Forum Nordicum ist seit 35 Jahren die internationale Vereinigung von Journalisten im nordischen Skisport.
Die Experten des Forum Nordicum kommentieren in dieser Saison regelmäßig das Geschehen im Skisprung-Weltcup für Berkutschi.