Vladimir Zografski: Das ist der Newcomer aus Bulgarien
Verwundert rieben sich Fans und Journalisten die Augen. Vladimir Zografski, der im Sommer schon einmal als Fünfter in Courchevel aufzeigte, flog in Garmisch-Partenkirchen im Training die mit Abstand größte Weite, und das bei Rückenwind. In Oberstdorf wurde er 16., in Garmisch 19. Damit zeigte er sich in Schlagdistanz zur Weltspitze.
Wer aber ist dieser 17-jährige Bulgare, der sich anschickt, den Arrivierten ein Bein zu stellen? Berkutschi hat sowohl mit ihm als auch mit Trainer-Urgestein Joachim Winterlich gesprochen.
Der 67-Jährige, der schon mit Jens Weißflog gearbeitet hat, der Roberto Cecon unter seinen Fittichen hatte, der Andreas Küttel schon Flügel verlieh, arbeitet als Trainer bei den Bulgaren und ist verantwortlich für den Höhenflug von 'Vladi', wie Winterlich den kleinen Mann aus Samokov väterlich nennt.
Zografski hat "den Schneid", den man als Springer braucht
Winterlich bescheinigt Zografski "den Schneid", den man als Skispringer braucht, wenn man Erfolg haben will. Ein Supertalent sei er aber bei weitem nicht. "Er muss sich viel erarbeiten", sagt Winterlich, der den derzeitigen Erfolg in keiner Weise überbewertet sehen möchte. Vielmehr bremst er alle, die denken, da sei ein neuer Skisprung-Stern aufgegangen, zügig ein. "Meilenweit" sei er noch entfernt von den Besten der Welt.
Wenig Miteinander bei bulgarischen Trainern
Das professionelle Arbeiten sei in Bulgarien noch nicht angekommen. Vor allem beklagt Winterlich, dass die einzelnen Trainer nicht miteinander arbeiteten, sondern gegeneinander. "Jeder, der einen guten Springer in seinem Team hat, will am liebsten gleich Nationaltrainer sein", so Winterlich. "Ich habe Vladimir mit dem besten Material ausgestattet, das er haben kann. Es gibt kaum eine Mannschaft in Osteuropa, die mit so gutem Material unterwegs ist. Das wird aber leider oft vergessen. Sie setzen das voraus, dass ich das Material mitbringe, das ärgert mich schon manchmal", so Winterlich.
Zografski setzt sich selbst bescheidene Ziele
Seinem Schützling, der zusätzlich von Vater Emil Zografski betreut wird, hat er Bescheidenheit eingeimpft. Und die äußerte der Newcomer auch im Gespräch mit Berkutschi (siehe Link). "Ich möchte diese Saison unter den besten 30 der Welt sein", sagte er.
Vladimir Zografski im Berkutschi-Video-Interview »
Keine Kampfansagen also an die Großen. "Das darf man von ihm auch nicht erwarten", sagt Winterlich. Ihm fehle es noch an Athletik. "Sein Vater hat da zwar schon viel mit ihm gearbeitet, aber das ging auch nicht immer in die richtige Richtung." Man sehe die Defizite schon beim Federball oder beim Volleyball.
Natürlich sei es auch schwer für Vladimir, immer ohne Teamkollegen durch die Welt zu tingeln. "Zu den Junioren-Weltmeisterschaften nehme ich noch zwei Springer mit", erklärt der Coach, der betont, dass er den Job in Bulgarien nicht wegen des Geldes mache. "Vielmehr muss ich noch ein paar Euro mitbringen."
Es gibt durchaus weitere talentierte Bulgaren
Nach Otepää wird Winterlich mit Zografski, Deyan Funtarov und Bogomil Pavlov reisen. "Beide waren schon einmal weiter als Vladimir. Doch ihm hat auch die Arbeit mit seinem Vater gut getan." Besonders Funtarov, Jahrgang 1995 und gerade erst 15 Jahre alt geworden, bescheinigt Winterlich großes Talent. Ob er aber die Entwicklung von Funtarov und den anderen noch aus der Nähe wird beobachten können, ist zweifelhaft. Denn Winterlich trägt sich mit Abschiedsgedanken. "Ich mache da keinen großen Hehl draus, das mir das nicht immer passt, wie das hier läuft. Ich muss das nicht machen", betont der Mann, der schon jahrzehntelang als Trainer im Skispringen arbeitet.
Dennoch glaubt Winterlich, dass es auch ohne ihn gehen kann. Der Grundstein sei gelegt, man wisse nun in Bulgarien, wie gearbeitet werden müsse. Und deshalb könne es Zografski - er ist ja schließlich erst zarte 17 Jahre alt - sich dauerhaft in der Spitze etablieren.
Allerdings hebt Winterlich immer wieder warnend den Zeigefinger. "Man muss ihn ständig daran erinnern, dass das alles harte Arbeit ist. Vladi glaubt, das gehe jetzt von allein. Dem ist aber nicht so."