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Thomas Morgenstern: „Ich bin froh und dankbar“

Erstellt am: 28.08.2015 23:48 / sb

In der Interviewreihe „Berkutschi-Talk“ präsentieren wir Gespräche mit Aktiven und Offiziellen rund ums Skispringen. Heute: Thomas Morgenstern (28).

Thomas Morgenstern ist einer von nur vier Athleten, die sowohl den Gesamtweltcup, die Vierschanzentournee sowie Einzeltitel bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen gewinnen konnten. Nach einem schweren Sturz am Kulm im Januar 2014, gab der Österreicher schließlich im September 2014 sein Karriereende bekannt.
Im August gewann Morgenstern den Weltmeistertitel in der Juniorenklasse im Helikopterfliegen.



Berkutschi: Hallo Thomas, wie geht es dir?
Thomas Morgenstern: Ja danke, es geht mir sehr gut. Vor allem jetzt natürlich mit der Hubschraubergeschichte. Das war eine geile Sache.


Berkutschi: Hast du mit dem Fliegen jetzt eine neue sportliche Heimat gefunden?
Morgenstern: Das ist schwer zu sagen. Es ist ein Sport, der nicht unbedingt im Rampenlicht steht und auch finanziell sehr schwer erschwinglich ist. Da braucht man ein gescheites Paket, um das auch in Zukunft fortzuführen. Ich denke aber, dass wir es mit dem Titel in Polen auch zuhause in Österreich bekannter machen konnten, dass es überhaupt Hubschrauberwettkämpfe gibt. Dass man nicht nur von A nach B fliegt sondern auch das gesamte Gerät kennenlernt und fliegerisch beherrschen muss. Die Flugübungen, die wir machen mussten, kommen alle aus dem Zug- und Rettungsflug und aus dem Lastenfliegen. Es ist super, dass ich das lernen kann. Das gibt mir in erster Linie mehr Sicherheit und Vertrauen mit dem Gerät. Das steht im Vordergrund.


Berkutschi: Kannst du kurz erklären, woraus ein solcher Wettkampf besteht?
Morgenstern: Es gibt vier Teilbewerbe. Um das wirklich genau zu erläutern, braucht es wahrscheinlich jeweils eine eigene Seite (lacht). Der erste Flug ist ein Navigationsflug. Man erhält ein Kuvert mit Karten und Koordinaten, muss dann ohne GPS-Gerät bestimmte Punkte finden. Da sind jeweils internationale Notzeichen markiert, die eingetragen werden müssen. Das ganze  natürlich unter Zeitdruck. Ähnlich, wie wenn ein Rettungshubschrauber einen Menschen finden und bergen muss, weiß man nicht genau, wohin man fliegen muss sondern muss viele Informationen herausfiltern.
Übung Nummer zwei ist ein Präzisionsflug, bei dem man in exakt drei Metern Höhe schweben und verschiedene Manöver ausführen muss. Dazu kommt eine Punktlandung, die auf fünf Zentimeter präzise sein muss.
Bei der dritten Übung erhält der Kopilot einen Sender, der auch bei Booten verwendet wird, um das anschlagen am Steg zu verhindern. Der Sender muss dann aus verschiedenen Höhen mit einem Seil in einer Tonne versenkt werden.
Dann muss mit einem Wassereimer am Seil gestartet werden, der Eimer aus einer Tonne befüllt werden, ein Parcours durchflogen werden und der Eimer auf einem 1 Quadratmeter kleinen Tisch abgestellt werden. Natürlich ohne Wasser zu verlieren.


Berkutschi: Fliegen und Skispringen sind vollkommen verschieden. Gibt es dennoch Dinge aus deiner vorherigen Karriere, die dir heute helfen?
Morgenstern: Was mir natürlich hilft, ist die Wettkampferfahrung. Ich bin mehr als 300 Weltcups gesprungen. Das hilft, um sich auf den Punkt genau konzentrieren zu können. Die Trainer sagen mir auch immer, dass ich extrem schnell lerne und gelerntes umsetzen kann. Ansonsten gibt es nicht viel, was ich mitnehmen kann. Es geht bei beidem um ein gewisses Fingerspitzengefühl.
Insgesamt bin ich vielleicht auf einem recht guten Weg, was das Fliegen angeht und darauf auch sehr stolz.


Berkutschi: Würdest du auch weiterhin gern solche Wettkämpfe fliegen?
Morgenstern: Das würde ich sehr gern. Im Dezember werde ich bei den World Air Games in Dubai dabei sein. Das ist ein sensationelles Ziel. Eine Weltmeisterschaft gibt es nur alle drei Jahre, also erst 2018 wieder. Dazwischen gibt es offene Meisterschaften, zum Beispiel in Deutschland, Polen oder Russland. Da werde ich sicher bei dem einen oder anderen Event teilnehmen.


Berkutschi: Bei den Skispringern läuft gerade die Trainingszeit und Saisonvorbereitung. Fehlt dir irgendetwas davon?
Morgenstern: Das Training an sich nicht. Ich trainiere ja auch weiterhin und halte mich körperlich fit. Das was ein wenig fehlt, ist der klare Plan. Etwas, worauf man hinarbeitet. Es ist ein anderes Leben. Ich kann nicht behaupten, dass es mir wirklich fehlt. Aber es ist eine große Umstellung. Was mir fehlt, ist definitiv die Emotion, die ich beim Skispringen erleben durfte. Die habe ich jetzt in einem kleinen Bereich beim Fliegen wieder gefunden. Oben auf dem Stockerl zu stehen.


Berkutschi: Wenn ein Fußballer seine Profikarriere beendet, kann er ohne weiteres weiterhin in einem Freizeitteam Fußball spielen. Bei Skispringern ist das nahezu unmöglich, einfach zum Spaß auf die Schanze zu gehen. Fehlt dir das Springen an sich?
Morgenstern: Grundsätzlich habe ich damit abgeschlossen, weil es eben einfach nicht mehr möglich ist. Hobbymäßig springen kann man natürlich. Aber das ist nicht das, was ich will. Ich habe das Skispringen irgendwann einmal in Perfektion beherrscht und weiß, wie sich das anfühlt. Und ich weiß auch, wie beschissen es sich anfühlt, wenn es nicht so klappt, wie es sein soll. Deshalb kann ich gut damit leben, zu sagen, dass das ein Teil meines Lebens war, der mich geprägt hat und sicher auch viele Weichen für mein zukünftiges Leben gestellt hat. Ich bin froh und dankbar, dass ich auf eine solche Karriere zurück blicken kann.


Berkutschi: Wie intensiv hast du das Skispringen in der vergangenen Saison noch verfolgt?
Morgenstern: Sehr intensiv. Ich war bei der Vierschanzentournee dabei, am Kulm und in Planica. Ansonsten habe ich so ziemlich jedes Springen im Fernsehen angeschaut. Es interessiert mich noch sehr. Ich war auch einige Male im Trainingslager der österreichischen Mannschaft. Und auch mit Heinz Kuttin verbindet mich viel. Er wohnt nur 15 Minuten von mir entfernt, wir sind quasi Nachbarn. Dadurch bin ich auf dem Laufenden, das finde auch sehr schön.


Berkutschi: Kannst du dir vorstellen, irgendwann als Trainer in den Skisprungzirkus zurück zu kehren?
Morgenstern: Vorstellen kann ich mir das schon, aber momentan wird das nicht passieren. Ich möchte im Moment damit abschließen und auch merken, dass es auch noch andere Dinge im Leben gibt. Das Fliegen ist da zum Beispiel eine neue Leidenschaft. Ich bin dabei, mich zu finden.


Berkutschi: Um eine Frage kommst du natürlich nicht herum: Wer ist dein Favorit für die nächste Weltcupsaison?
Morgenstern: Es ist ja noch ein bisschen Zeit bis dahin (lacht). Durch meine Weltmeisterschaften habe ich nicht wirklich viel vom Grand Prix mitbekommen.


Berkutschi: Die Österreicher haben noch ein bisschen Luft nach oben…
Morgenstern: Das stimmt (lacht). Das habe ich gemerkt. Aber das heißt nix. Was jetzt im Sommer passiert, ist keine Garantie für den Winter. Es wird definitiv Severin Freund wieder vorn mitmischen. Für mich ist er der Mann, der am stärksten einzuschätzen ist. Von den Österreichern ist Stefan Kraft sicher wieder sehr viel zuzutrauen. Auch Gregor Schlierenzauer sollte man nicht abschreiben. Ich bin mir sicher, dass er wieder eine super Arbeit geleistet hat wieder in die Weltspitze zurückkommen wird. Dazu kommen die üblichen Verdächtigen. Peter Prevc ist da hervor zu heben. Kamil Stoch ist schwer einzuschätzen. Aber wenn er einen Lauf hat, ist er schwer zu schlagen. Auf Philipp Sjoeen bin ich sehr gespannt. Er hat schon jetzt richtig geniale Sprünge dabei, mit denen er die Konkurrenz distanzieren kann. Das zeigt seine Klasse. Es ist eine Frage der Zeit, bis er das richtig umsetzen kann. Bei Simon Ammann gibt es wieder die Mission Vierschanzentournee. Ich würde ihm das sehr gönnen und wünschen, dass es klappt. Aber am stärksten einzuschätzen ist Severin Freund.


Berkutschi: Letzte Frage: Du hast eine großartige Erfolgsserie der Österreicher bei der Vierschanzentournee mitgeprägt. Auch wenn du Simon Ammann den Titel gönnst – können die Österreicher diese Serie fortsetzen?
Morgenstern: Natürlich. Es spricht nichts dagegen. Leistung müssen sie sowieso bringen. Und ich würde es jedem in der Mannschaft gönnen. Es wäre schon ein Hit, wenn die Serie nicht reißen würde (lacht).


Berkutschi: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für dich!

 

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