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„Skispringen ist ein sehr teures Hobby“

Erstellt am: 07.06.2015 00:30 / sb

In der Interviewreihe „Berkutschi-Talk“ präsentieren wir Gespräche mit Aktiven und Offiziellen rund ums Skispringen. Heute: Nico Polychronidis, erster griechischer Olympiateilnehmer im Skispringen.

Nico Polychronidis wurde 1989 in Bremen als Sohn einer Deutschen und eines Griechen geboren. Das Skispringen hat er in Oberstdorf gelernt und startete seit 2004 bei FIS-Wettbewerben für den Deutschen Skiverband. Bei der FIS-Team-Tour 2013 ging Polychronidis dann erstmals für die Heimat seines Vaters an den Start, vertrat die Griechen außerdem bei den Weltmeisterschaften 2013 und 2015 sowie bei den Olympischen Spielen in Sochi. Seine bislang beste Weltcupplatzierung war im Januar 2014 ein 38. Platz in Sapporo.


Berkutschi: Hallo Nico, wie läuft deine Saisonvorbereitung bislang?
Nico Polychronidis: Ich bin zurzeit in Oberstdorf, habe schon vor einigen Wochen angefangen zu trainieren. Ich studiere allerdings nebenbei Sportmanagement. Im Winter habe ich da fast gar nichts geschafft. Deshalb mache ich momentan quasi gleichzeitig das Winter- und Sommersemester. Daher habe ich im Moment nicht wirklich Platz fürs Springen. Das geht gerade ein wenig unter.


Berkutschi: Du hast aber schon vor, dem Skispringen treu zu bleiben?
Polychronidis: Generell schon. Aber es stellt sich das gleiche Problem wie in jeder Saison. Mit dem griechischen Verband kann ich nur von Jahr zu Jahr planen. Wir sind inzwischen in die Planung eingestiegen aber es wird nicht leichter, die Lage ist ziemlich schlecht. Es ist auch extrem anstrengend, das alles selbst zu organisieren. Deswegen bin ich im Moment hin- und hergerissen.
Wenn ich es nochmal versuche, möchte ich es richtig machen.

 

Berkutschi: Bei den meisten Skispringern sieht der Alltag so aus, dass sie einen Wettkampfplan bekommen, zum Flughafen fahren mit Ticket in der Tasche, am Flughafen abgeholt werden, ins schon gebuchte Teamhotel gefahren werden und sich dann voll auf den Sport konzentrieren können. Wie läuft diese Planung und Vorbereitung bei dir ab?
Polychronidis: In erster Linie richtet sich mein Wettkampfkalender nach dem Budget, nicht nach der Form. Deshalb werden Reisen wie nach Japan zum Beispiel wirklich extrem kurzfristig gebucht, wenn ich weiß, wieviel Geld noch da ist. Ansonsten suche ich die Wettkämpfe aus, die möglichst in der Nähe sind, bei denen es keine Flüge braucht. Dann folgt die Anmeldung über den Verband. Ich muss Namen meiner Betreuer nennen. Diesen Betreuer muss ich auch noch organisieren. Ich muss die möglichen Hotels prüfen, mich erkundigen wann Mannschaftsführersitzungen stattfinden. Ich bin ein Ein-Mann-Team (lacht).

 

Berkutschi: Im Training wirst du von Oberstdorfer Stützpunkttrainern betreut. Bei den Wettkämpfen ist das schon schwieriger. Nimmst du einfach einen Kumpel mit, der sich um alles kümmert?
Polychronidis: Der Verband versucht schon eine Zusammenarbeit mit anderen Teams zu organisieren. So wirklich klappt das aber nicht. Insofern schaue ich, wer von meinen Freunden Zeit für so einen Ausflug übers Wochenende hat und versuche es ihnen schmackhaft zu machen. Bislang hat sich immer jemand gefunden. Bei Wettkämpfen wie in Willingen kenne ich zum Beispiel auch den Chef der Vorspringer, der mich dann mit übernimmt. Aber es braucht für jeden Wettkampf eine Einzellösung.

 

Berkutschi: Der griechische Verband ist in Sachen Skispringen sicherlich noch nicht besonders gut vernetzt. Gibt es überhaupt eine Abteilung Skispringen?
Polychronidis: (lacht) Inzwischen gibt es so etwas Ähnliches. Dass übernimmt einfach der sportliche Direktor des Verbandes. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich einen festen Ansprechpartner hatte. Inzwischen kennt man die groben Abläufe. Ich gebe Bescheid, zu welchen Wettkämpfen ich möchte und inzwischen sind wir soweit, dass ich dann zumindest angemeldet bin. Es gab auch schon Wettkämpfe zu denen ich gefahren bin, und dann gar nicht gemeldet war. Das hat sich einigermaßen eingespielt. Es bleibt aber eine große Baustelle.

 

Berkutschi: Finanzielle Probleme in Griechenland sind ein recht großes Thema. Es ist  schwer vorstellbar, dass man Luftsprünge gemacht hat, weil man jetzt einen Skispringer finanzieren soll…
Polychronidis: (lacht) Am Anfang hat man durchaus Luftsprünge gemacht, dass man einen Skispringer für Griechenland hat. Als dann das Thema der Finanzierung und Unterstützung aufkam, war plötzlich keine mehr zuständig für mich. Das ist tatsächlich schwierig und dadurch betrifft mich die Situation in Griechenland natürlich auch. Was die Sponsorensuche betrifft bin ich auch auf mich gestellt. Vom Verband bekomme ich schon etwas, aber das ist mit zwei Wettkampfwochenenden aufgebraucht. Das Skispringen ist ein sehr teures Hobby. Deshalb muss ich auch schauen, wieviel Sinn es noch macht.

 

Berkutschi: Inwiefern entschädigen Erlebnisse wie Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele für all den Stress?
Polychronidis: Das ist es definitiv wert gewesen! Ich war bei zwei Weltmeisterschaften und bei Olympia. Das hätte ich auf einem anderen Weg nie erlebt. Aber es ist kein Zuckerschlecken.

 

Berkutschi: Wie sind eigentlich die Reaktionen bei den anderen Springern wenn du an der Schanze aufschlägst? Wird man belächelt oder gibt es Respekt?
Polychronidis: Die Leute vom DSV kenne ich gut. Mit denen war ich teilweise noch zusammen im C- und B-Kader. Markus Eisenbichler ist zum Beispiel ein sehr guter Freund. Mit anderen Nationen habe ich generell weniger Kontakt. Mit den Leistungen im letzten Winter hab ich es mir auch nicht leichter gemacht, ernst genommen zu werden. Aber mir geht es hauptsächlich darum, dass ich es selbst ernst nehme.

 

Berkutschi: Was wäre für dich im Moment noch eine sportliche Motivation um weiter zu machen?
Polychronidis: Der einzige Grund wäre eigentlich, dass mir das Springen wirklich noch Spaß macht und ich den Wettkampf liebe. Bis zur nächsten Olympiade zu planen, ist zu langfristig für mich. Und um mir Ziele zu setzen im Weltcup, bin ich einfach nicht in der Lage. Da spiele ich drei Ligen weiter unten. Das Gute ist, dass ich für die nächsten Weltmeisterschaften schon vom Verband gesetzt wäre (lacht). Aber ich habe gesagt, dass ich so lange springe, wie es geht. Und jetzt bin ich in einer Phase, in der es kritisch wird. Zum einen finanziell und auch, weil das Studium in eine ernste Phase geht. Und irgendwann mit 27 ins Berufsleben einzusteigen, wäre auch nicht verkehrt.
Was mir fehlen würde, wären die 200 Meter, die ich noch nicht geknackt habe. Bislang war ich in Oberstdorf und Planica. Wenn ich weitermache, wäre die Skiflug-WM im nächsten Winter auf jeden Fall ein Ziel.

 

Berkutschi: Letzte Frage: Welche Schlagzeile würdest du gern irgendwann über Nico Polychronidis lesen?
Polychronidis: (lacht) Das ist schwierig. Ich glaube ich habe schon einige witzige Schlagzeilen über mich gelesen. Damit bin ich eigentlich ganz zufrieden.

Berkutschi: Dann alles Gute für dich und hoffentlich auf ein Wiedersehen auf der Schanze.

 

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