Wir verwenden Cookies, um Ihnen ein optimales Nutzererlebnis zu bieten und Social Media einzubinden. Privacy Policy

Berkutschi Premium Partners

„Jeder Sturz ist einer zu viel“

Erstellt am: 27.03.2015 17:29 / sb

In der Interviewreihe „Berkutschi-Talk“ präsentieren wir Gespräche mit Aktiven und Offiziellen rund ums Skispringen. Heute: Walter Hofer (60), FIS-Renndirektor Skispringen.

Berkutschi: Hallo Walter, konntest du dich schon vom dramatischen Saisonfinale in Planica erholen?
Walter Hofer: Es schwingt natürlich noch nach, denn es war schon ein besonderes Erlebnis, von einer großartigen Dramaturgie die von den Athleten geschrieben wurde. Es war eine Konstellation, die man nur mit einem ausgereiften Drehbuch darstellen kann. Das hatte schon was.

 

Berkutschi: War das eine Situation, wie sie sich der Renndirektor wünscht, mit Spannung bis zum allerletzten Sprung?
Hofer: Das ist natürlich eine Idealvorstellung, die sich nicht immer umsetzen lässt. Aber es gibt einen Zusammenhang zu unserer Zielsetzung, die wir als generelle Linie verfolgen. Wir streben eine möglichst breite Aufstellung unserer Sieger an, eine möglichst große Fluktuation unter den Siegern und Podiumsplatzierungen. Und das auch noch aufgeteilt auf möglichst viele Nationen. Ich hab das auch im Vorfeld als Parole ausgegeben. Dass das dann auch genauso eintrifft, ist schon toll.

 

Berkutschi: Damit sind wir schon beim allgemeinen Saisonrückblick. Wie zufrieden bist du?
Hofer: Es war sicher eines der erfolgreichsten Weltcupjahre. Wir hatten 13 verschiedene Sieger plus einen weiteren bei den Weltmeisterschaften. Die Kenngrößen, wie Zuschauerquoten, die noch nicht vorliegen, dürften das bestätigen. Es war einer der spannendsten, aber auch einer der schwierigsten Winter. Denn wir hatten auch sehr viel mit den äußeren Umständen zu kämpfen. Dank unserer Systeme waren wir aber in der Lage, die Wettkämpfe umzusetzen, auch wenn es nicht immer leicht war.

 

Berkutschi: Wenn du an schwierige äußere Bedingungen denkst, welche Wettbewerbe sind dir am stärksten im Gedächtnis geblieben?
Hofer: In Falun, bei den Weltmeisterschaften, hätten wir keinen einzigen Sprung machen können ohne Windnetz. Es gab quasi permanent eine Windströmung von acht bis neun Metern. Auch die weiteren 14 Tage in Skandinavien. Lahti, die vielleicht die berüchtigtste  Schanze ist, war noch einer der ruhigeren Fälle. Danach aber in Kuopio, Trondheim und Oslo war es sehr schwierig. Auch bei der Tournee in Oberstdorf war es nicht einfach, genauso in Innsbruck. Am Kulm mussten wir einen Tag absagen. Wir sind schon sehr stark beeinträchtigt gewesen und konnten nur aufgrund der Hilfssysteme einen Großteil der Wettbewerbe durchziehen.

 

Berkutschi: Mit Severin Freund gibt es zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder einen deutschen Gesamtweltcupsieger. Du bist als Renndirektor selbstverständlich zur Neutralität verpflichtet. Aber wie wichtig ist aus rein pragmatischen Gründen ein starkes deutsches Team für das Skispringen?
Hofer: Das ist für nationalen Skiverband eine wichtige Sache. Man muss wissen, dass die FIS nicht die Vermarktungs- und TV-Rechte an den einzelnen Weltcupveranstaltungen hält. Diese liegen beim jeweiligen nationalen Verband. Deshalb ist für uns vor allem toll, dass es so viele Sieger aus verschiedenen Nationen gibt. Für den deutschen Skiverband ist das natürlich optimal. Aber es ist selbstverständlich auch jeder andere nationale Verband herzlich dazu aufgerufen, einen Gesamtweltcupsieger zu stellen. Unsere Philosophie ist nicht nur auf den Athleten selbst ausgerichtet, sondern auch auf das Produkt Skispringen. Auf das Podium, die Bühne für den Athleten. Dann obliegt es den Athleten selbst, den i-Punkt darauf zu setzen. Nur so ist es möglich, eine Bandbreite zu erreichen von Freund bis Prevc, von Kasai bis Ahonen, von Stoch bis Ammann. Das muss man erst einmal schaffen. Das geht aber nicht, wenn man auf den einzelnen Athleten ausgerichtet ist, sondern indem man eine Bühne baut, auf der die Athleten ihre Performance zeigen können. Und das ist uns in den letzten 20 Jahren recht gut gelungen.

 

Berkutschi: Jetzt haben wir über viele schöne Momente gesprochen. Es gab im letzten Winter aber auch die bitteren Augenblicke. Speziell wird das sicher Bischofshofen mit den beiden schweren Stürzen von Nicholas Fairall und Simon Ammann in Erinnerung bleiben. Inwiefern spielt das in der Saisonauswertung eine Rolle? Macht man sich Gedanken darüber, wie man das Skispringen noch sicherer machen kann oder ist es das Risiko, das man bei einem solchen Sport ganz einfach in Kauf nehmen muss?
Hofer: Damit geben wir uns nicht zufrieden. Wir wissen natürlich, dass Skispringen nach wie vor eine Risikosportart ist. Wir wissen auch, dass es uns durch verschiedene Maßnahmen gelungen ist, Skispringen sicherer zu machen. Aber jeder einzelne Sturz ist ein Sturz zu viel. Und wir müssen jeden Tag alles daran setzen, auch diesen einzelnen Sturz zu verhindern. Daran arbeiten wir permanent und versuchen, unsere Systeme zu verbessern. Wir sind auf einem sehr guten Weg was die Anläufe betrifft, auch was das Setup in der Luft betrifft. Wo wir manchmal noch ein wenig straucheln, ist das Landen und das Ausfahren. Ansonsten sind wir auf einem sehr guten Weg. Mit den Materialbestimmungen konnten wir im letzten Jahr auch die Verletzungen reduzieren, speziell was Knieverletzungen betrifft.

 

Berkutschi: Ein anderes großes Thema des letzten Winters war das Skifliegen. Es gab einen neuen Weltrekord durch Anders Fannemel. Inwiefern siehst du da eine Grenze erreicht? Auch mit Blick auf das physische Vermögen der Athleten?
Hofer: Nicht die physische Leistungsfähigkeit unserer Athleten ist am Limit, sondern die Größe unserer Anlagen. Das Sprungkomitee hat die Schanzengröße limitiert. Vikersund und Planica sind sicherlich ausgereizt, daher werden auch die Sprungweiten künftig in den Bereichen liegen, die wir in dieser Saison gesehen haben. Die anderen Fluganlagen sind kleiner. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den nächsten Jahren die Schanzenbaunormen so ausgeweitet werden, dass weitere Umbauten möglich sind. Aber das muss nicht zwingend in unserer Hand liegen.

 

Berkutschi: Du gehst also nicht davon aus, dass in den nächsten Monaten in Vikersund oder Planica die Bagger rausgeholt werden, um noch einmal fünf Meter mehr möglich zu machen?
Hofer: Wenn die Bagger rausgeholt werden, dann um den Zuschauerbereich zu erweitern. Skispringen ist abhängig von Begeisterung und Emotionen. Wir wären schlecht beraten, die Schanzengrößer zu bauen und den Zuschauer weiter weg zu bringen. Es muss umgekehrt sein. Der Zuschauer muss näher heran geholt werden. Das ist der richtige Weg.

 

Berkutschi: Ein kleiner Blick voraus: In der kommenden Saison stehen keine olympischen Spiele und nordischen Weltmeisterschaften auf dem Programm. Worauf dürfen sich die Fans dennoch freuen?
Hofer: Zunächst einmal sind wir die einzige FIS-Disziplin, die auch im nächsten Jahr eine Weltmeisterschaft hat, nämlich im Skifliegen. Aber unser Weltcup besteht natürlich aus mehr. Wir haben eine Vielzahl an Highlights. Wir haben wieder die Tournee, wir haben Höhepunkte wie Zakopane, Vikersund und Planica. Wir gehen wieder nach Russland, wir gehen erstmals nach Kasachstan. Es wird eine Variation von Highlights geben.

 

Berkutschi: Wird es im Regelwerk Änderungen geben?
Hofer: Wir sind mit dem momentanen Erscheinungsbild des Skispringens sehr zufrieden, insbesondere, dass wir bei den Anzügen einen kleinen Schritt zurück gemacht haben im Vergleich zur vorletzten Saison. Das hat sich sehr positiv ausgewirkt. Da werden wir noch eine kleine Modifikation vornehmen, um es den Athleten etwas leichter zu machen. Aber ansonsten stehen keine Änderungen unmittelbar um den Athleten herum an.

 

Berkutschi: Als nächstes steht der FIS Grand Prix an. Welche Änderungen im Kalender sind hier vorgesehen?
Hofer: Wir wollen ein verdichtetes Programm erreichen. Daher wird es im ersten Block eine durchgehende europäische Serie geben. Wir starten in Polen, gehen dann über Klingenthal nach Hinterzarten, anschließend von Courchevel nach Einsiedeln. Nach diesem europäischen Block geht es nach Asien, nach Russland und Kasachstan. Das Finale findet in Hinzenbach statt.

 

Berkutschi: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Du sagst immer, dass deine Aufgabe keine Arbeit, sondern dein liebstes Hobby ist. Macht Walter Hofer Urlaub?
Hofer: Wenn ich zuhause bin, bin ich permanent im Erholungsmodus. Ich sitze vor den Kalendern und Inspektionsplänen. Es ist natürlich angenehm, einmal nicht Rücksicht auf das Wetter nehmen zu müssen. Sonst hängt ja immer wie ein Damoklesschwert der Wetterbericht über dem Wochenende. Wir gehen jetzt in die Komiteesitzungen, in die Kalenderkonferenzen, planen die Inspektionen. Wir sind quasi schon mit beiden Beinen bei den olympischen Spielen 2018 in Südkorea. Es sind Inspektionen in Lahti und Seefeld vorgesehen für die nächsten beiden Weltmeisterschaften. Es ist ein permanenter Kreislauf. Daher geht es eigentlich nur von einer mobilen in eine stationäre Arbeit über.

 

Berkutschi: Dann wünschen wir dir einen erfolgreichen Sommer und ein paar entspannte Stunden zuhause.

 

Neueste Nachrichten