Takanashi gegen den Rest der Welt
Die Weltcupsaison 2015/16 der Skisprung-Damen ist Geschichte. Die große Siegerin heißt Sara Takanashi. Die 19-jährige Japanerin sicherte sich zum dritten Mal nach 2013 und 2014 den Titel im Gesamtweltcup und verdrängte nach einem Jahr Pause die Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz wieder vom Thron.
Entgegen nehmen durfte Takanashi die große Kristallkugel am vergangenen Wochenende beim Weltcupfinale der Herren in Planica. Gewonnen hat aber auch das Damen-Skispringen generell findet FIS-Renndirektorin Chika Yoshida: „Wir haben eine ganze Reihe an Highlights erlebt“, schätzt die 45-jährige Japanerin ein, die seit 2012 die Geschicke der fliegenden Damen lenkt.
Die Saison der Damen in Bildern
Start-Ziel-Sieg für Takanashi
Den ersten Schritt zu ihrem Start-Ziel-Sieg nahm Takanashi gleich zum Auftakt in Lillehammer.
Es folgten Siege in Nizhny Tagil, zwei perfekte Wochen in der japanischen Heimat mit vier Erfolgen in Sapporo und Zao sowie fünf Siege binnen einer Woche in Oberstdorf, Oslo und Hinzenbach. Erst nach zehn Erfolgen in Serie konnte Maja Vtic vor heimischem Publikum im slowenischen Ljubno die Japanerin schlagen. Und das vor der Rekordkulisse von etwa 7.000 Zuschauern. Am nächsten Tag sprang Takanashi gar am Podium vorbei und konnte die Siegerehrung mit Daniela Iraschko-Stolz auf dem obersten Treppchen als Zuschauerin erleben – zum einzigen Mal in dieser Saison.
Generalprobe in Lahti
Bei der WM-Generalprobe in Lahti war die Japanerin dann wieder ganz vorn und beendete die Saison schließlich standesgemäß mit zwei Siegen bei der Weltcuppremiere in Almaty. Mit 14 Siegen in 17 Wettkämpfen verpasste die 19-jährige ihre eigene Bestmarke aus der Saison 2013/14 nur um einen Triumph. Und das wohl auch nur, weil das Weltcupfinale im rumänischen Rasnov den frühsommerlichen Temperaturen zum Opfer fiel.
An der Überlegenheit der Japanerin bleibt also kein Zweifel. Und dennoch war es die wohl bislang interessanteste Saison im Skisprung-Weltcup der Damen. Das lag vor allem am Kampf um die Plätze hinter Takanashi. Zehn weiteren Athletinnen aus fünf Nationen gelang der Sprung auf das Podium.
Österreicherinnen bärenstark
Die Österreicherinnen Daniela Iraschko-Stolz, Eva Pinkelnig, Chiara Hölzl und Jaqueline Seifriedsberger waren dabei, ebenso wie die Japanerin Yuki Ito, die Norwegerin Maren Lundby und die Russin Irina Avvakumova. Die wohl beeindruckenste Entwicklung zeigten aber die Sloweninnen. Maja Vtic feierte ihren Premierensieg, Ema Klinec und Spela Rogelj durften Podiumsplätze bejubeln. Der Lohn war Rang drei im Nationencup hinter Österreich und Japanerinnen.
Wo Gewinner sind gibt es im Sport immer auch Verlierer. Zu denen muss man im zurückliegenden Winter wohl das deutsche Team zählen. Olympiasiegerin Carina Vogt und Co. mussten sich am Ende mit Platz vier in der Nationenwertung begnügen.
Interview mit FIS Renndirektorin Chika Yoshida
Berkutschi: Wie schätzt du die zurückliegende Saison ein?
Chika Yoshida: Wir haben einen weiteren Schritt in der Entwicklung des Damen-Skispringens erlebt. Trotz der Dominanz von Sara Takanashi war der Kampf um die Podiumsplätze spannend und interessant. Und die Tatsache, dass unglaublich viele junge Athletinnen bereits jetzt auf allerhöchstem Niveau springen, verspricht auch für die Zukunft großartigen Sport.
In Nizhny Tagil haben wir den zweiten Damen-Weltcup auf russischem Boden erlebt. Ich denke und hoffe, dass wir gerade in Russland vor einer guten Zukunft stehen, denn auch das russische Team ist sehr stark aufgestellt. In Almaty gab es eine weitere Weltcuppremiere auf unglaublich hohem Niveau. In Japan hatten wir endlich Glück mit dem Wetter. Mit Ausnahme des ersten Wettbewerbs in Zao, als nur ein Durchgang ausgetragen werden konnte, waren die Bedingungen nahezu perfekt.
In Hinzenbach wurden trotz schwieriger Wetterbedingungen zwei tolle Wettbewerbe ausgetragen.
Berkutschi: Gab es ein Highlight für dich?
Yoshida: Es ist schwer, einen bestimmten Moment zu nennen. In Zao wurde eigens für die Damen die Schanze umgebaut und vergrößert. Dank einer neugebauten Flutlichtanlage konnten wir am späten Nachmittag springen, die Wettbewerbe waren dadurch in Europa live zur Frühstückszeit zu sehen. Das ist großartig. In Oberstdorf gab es dank des deutschen Fernsehens und des deutschen Skiverbandes eine bemerkenswerte TV-Produktion. Die genauen Zahlen liegen noch nicht vor, aber ich denke, dass unsere Wettbewerbe in sehr vielen Wohnzimmern verfolgt wurden. In Ljubno haben wir eine Rekordkulisse von 7.000 Zuschauern und eine fantastische Stimmung erlebt. Das war ein wirklich tolles Erlebnis, vor allem für die Athletinnen. Dazu als sportliches Highlight der Wettbewerb auf dem Holmenkollen in Oslo, quasi das Skifliegen der Damen. Es war eine wirklich schöne Saison.
Berkutschi: Das Finale in Rasnov musste leider ausfallen. Wie weh tut dir das?
Yoshida: Das ist eigentlich der einzige Wermutstropfen auf dieser Saison. Ich weiß, dass die Sportfreunde in Rasnov alles versucht haben. Nur eine Woche vor unserem geplanten Finale wurden bei bis zu 18 Grad Celsius die Junioren-Weltmeisterschaften ausgetragen. Das war eine großartige Leistung. Danach war der Schnee aber leider nicht mehr zu halten. Glücklicherweise waren die sportlichen Entscheidungen zu diesem Zeitpunkt bereits gefallen.
Berkutschi: Wie bewertest du die Überlegenheit von Sara Takanashi?
Yoshida: 14 von 17 Wettbewerben zu gewinnen ist eine fantastische Leistung. Sara ist momentan der Maßstab, treibt die anderen Athletinnen an und ist damit auch eine großartige Motivation. Es ist unmöglich vorher zu sagen, ob sie in der nächsten Saison öfter geschlagen wird. Das entscheidet sich auf rein sportlichem Wege. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie noch mehr Konkurrenz bekommen wird, dass das Feld noch dichter zusammen rückt und es zumindest nicht einfacher für sie wird.
Berkutschi: Kann diese Dominanz zum Problem für das Damen-Skispringen werden?
Yoshida: Nein, das kann man ruhigen Gewissens ausschließen. Zum einen hat sich nicht nur in der vergangenen Saison, sondern auch bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen gezeigt, dass Sara nicht unschlagbar ist. Zum anderen gab es schon immer große Athleten, die ihren Sport über einen gewissen Zeitraum geprägt haben, Rekorde aufgestellt haben. Bei den Herren gab es in dieser Saison mit Peter Prevc ja eine sehr ähnliche Situation und niemand würde behaupten, dass das ein Problem wäre.
Berkutschi: Worauf freust du dich mit Blick auf die nächste Saison?
Yoshida: Die genaue Kalenderplanung ist noch nicht abgeschlossen, daher müssen wir uns mit einer detaillierten Vorschau noch etwas gedulden. Es wird in jedem Fall die Weltmeisterschaften in Lahti geben. Die Generalprobe in dieser Saison war bereits sehr gut und das wird natürlich der Höhepunkt des nächsten Winters. In Pyeongchang werden wir die ersten Skisprung-Weltcups in Südkorea erleben als Probelauf für die olympischen Winterspiele in zwei Jahren. Dazu sind wir wieder bei unseren traditionellen Veranstaltern, wie etwa in Ljubno, zu Gast.
Berkutschi: Darfst du dich jetzt nach dem Ende der Saison ein wenig erholen?
Yoshida: Zunächst steht die Saisonanalyse auf dem Programm, dazu auch einige Inspektionsreisen zu unseren Veranstaltern. Ich werde aber sicher auch ein wenig Zeit zur Erholung finden.