Piotr Zyla: Ich lebe nicht mehr in einer Traumwelt

Erstellt am: 08.07.2013 11:42 / sk

Piotr Zyla musste viele Hindernisse überwinden, bevor er an der Spitze angekommen ist. Als einer der momentan besten Skispringer der Welt erfreut er sich sehr großer Beliebtheit und einem hohen Bekanntheitsgrad, was, wie er zugibt, auch manchmal lästig sein kann.

Die letzte Saison wurde zur entscheidenden für den 26-jährigen. Mit dem fünften Platz Anfang Januar begann für in ein schöner Traum, der bis zum Ende des Winters andauerte. Der Gewinn der Bronzemedaille im Teamwettkampf bei den Weltmeisterschaften in Fiemme 2013 und der Sieg im Skisprung-Mekka am Holmenkollen waren dann das Tüpfelchen auf dem i.

Die Ergebnisse von Piotr Zyla »

 

Ein paar Monate zuvor, um nicht zu sagen in den letzten Jahren, schienen solche Erfolge für ihn wie ein Wunder, ein Tagtraum. Mit seiner Aufrichtigkeit, seinem außergewöhnlichen Sinn für Humor und seiner manchmal unkonventionellen Einstellung zum Sport sicherte sich der Springer aus Wisla einen großen Zulauf an Fans. Als sich dann auch die Erfolge, wie der Sieg in Oslo, einstellten wurde er zu einem der populärsten Sportler Polens, eine Kultfigur für die Jugend.

 

Die offizielle Facebook-Page von Piotr Zyla bricht die Beliebtheitsrekorde. “Ich habe diese Fanpage erstellt und hatte dort 1500 Likes. Dann wurden es 5000 und ich dachte es werden sicher nicht mehr. Dann habe ich geschaut und es waren 20 000. Ich war etwas überrascht und dachte das wäre das Ende. Sicher gibt es nicht mehr. Ich habe am Montag nachgesehen und es waren 270 000. Aber jetzt werden es sicher nicht mehr mehr”, sagte er in der bekannten polnischen TV Show von Kuba Wojewodzki. Ein Monat verging und die Zahl der Fans stieg auf fast 600 000!

 

Berkutschi: Fühlst du dich manchmal wie in einem Märchen? In Oslo und Planica wurdest du zu dem vielleicht größten Star im polnischen Sport, nachdem du vorher nur ein Springer mit ziemlich guten Ergebnissen warst.

 

Piotr Zyla: Vielleicht ist es überhaupt nicht wie im Märchen. Ich habe jetzt viel weniger Freizeit und auf jeden Fall viel mehr Dinge um die ich mich kümmern muss. Ich vermisse jetzt die Ruhe, aber ich glaube es wird meine Vorbereitung nicht stören, weil ich bereits dabei bin alles zu klären. Langsam komme dich wieder darauf zurück worin ich am besten bin – dem Training. Die Zeit zur Entspannung, was auch eine wichtige Rolle im Training spielt, fehlt. Es ist mein Ziel, dass sich alles wieder normalisiert.

 

Berkutschi: Ist diese Popularität überraschend für dich?

 

Zyla: Ja, ich habe nie daran gedacht, dass so etwas mir passieren könnte. Ich weiß überhaupt nicht, was ich darüber denken soll und würde eher sagen, dass Kamil populärer als ich sein könnte. Er ist Weltmeister, ich habe nur ein Weltcupspringen gewonnen.

 

Berkutschi: Hilft dir die Tatsache, dass du aus der gleichen Stadt kommst wie Adam Malysz? Hast du beobachtet wie er mit dem Druck und den Medien umgegangen ist?

 

Zyla: Ich glaube ja. Auch jetzt noch kann ich zu Adam gehen wenn ich ein Problem habe und mich auf seinen Rat verlassen. Er hat mir bisher oft geholfen und ich verdanke ihm viel. In gewisser Weise bin ich in der vergangenen Saison auf wegen ihm so gut gesprungen.

 

Berkutschi: Als junge Springer müsst ihr Adam bewundert haben, der damals ganz oben war und gegen Skisprunglegenden angetreten ist. Ist damals der Traum entstanden, das auch einmal zu erleben?

 

Zyla: Es war ein Traum der Beste zu sein. Wahrscheinlich träumt jeder Springer davon an der Spitze zu sein. An einem Moment konnte ich mit dem Druck nicht umgehen. Meine Ehrgeiz passte nicht mit meinen Fähigkeiten zusammen. Später ging es dann Schritt für Schritt. Ich habe aufgehört in einer Traumwelt zu leben. In der letzten Saison konnte ich sogar ein Weltcupspringen gewinnen. Ich freue mich sehr darüber. Um ehrlich zu sein, habe ich das nicht erwartet. Ich habe die Träume vom gewinnen hinter mir gelassen.

 

Berkutschi: Nach einer erfolgreichen Saison 2006/07 bist du für einige Zeit wieder von der Spitze des polnischen Skispringens verschwunden. Hattest du damals Zweifel daran, deine Resultate verbessern oder einen Wettkampf gewinnen zu können?

 

Zyla: Ja, sicher. Es gab eine bessere Phase in dieser Saison, aber es waren nur einzelne Wettkämfe. Ich hatte keinen Moment des Zweifelns, ich habe einfach meine Art zu denken geändert: Ergebnisse sind nicht das Wichtigste im Leben, andere Dinge zählen und die Ergebnisse spielen nur eine Nebenrolle. Ich mag das Springen und das Training, das habe ich richtig gemerkt als ich nicht mehr im Nationalteam war. Die Möglichkeit zu trainieren macht mir die größte Freude. Ich glaube, dass diese Einstellung zum Sport mir auf meinem Weg zu den guten Ergebnissen die ich erreicht habe, geholfen hat. Vorher war ich mehr auf die Ergebnisse, und nicht auf den Weg dahin konzentriert.

 

Berkutschi: Zurück zu der Situation in Oslo. Es deine andere Einstellung zum Wettbewerb ein Vorteil? Sitzt du auf dem Balken und denkst nicht an das Podest, sondern genießt den nächsten Sprung, den Moment in der Luft?

 

Zyla: Ja, genau. Der Wunsch zu springen und das Adrenalin, das besonders bei windigen Verhältnissen ein Teil des Skispringens ist, wurden wichtig für mich. Der Spaß am Sprung ist viel größer. In Oslo habe ich zum Beispiel nicht daran gedacht gewinnen zu können. Ein Jahr vorher war ich auch Dritter nach dem ersten Durchgang am Holmenkollen, aber ich konnte mit der Situation nicht umgehen. Ich habe die ganze Zeit an das Podest gedacht. Dieses Jahr war die Situation ähnlich, aber ich habe nicht daran gedacht, dass ich am Podest stehen könnte. Ich habe mich einfach darauf konzentriert meinen besten Sprung zu zeigen und konnte gewinnen.

 

Berkutschi: Ein paar Tage später ging's nach Planica. Wie hast du dich in der neuen Rolle zurechtgefunden? Die Chancen auf eine weitere Podestplatzierung waren realistisch und der Sieg in Oslo und das großartige Training auf der Letalnica haben das noch weiter verstärkt.

 

Zyla: Eigentlich bin ich nicht mit dieser Einstellung nach Planica gekommen. Ich wollte Spaß haben, die tollen Ergebnise haben mich nicht interessiert. Der Sieg in Oslo war eine große Überraschung und eine tolle Erinnerung. Bevor ich nach Planica gekommen bin, hat keiner was von mir erwartet, auch ich habe nicht darauf gehofft dort eine Top 3, Top 10 oder Top 15 Platzierung zu erreichen. Ich war da um das Fliegen zu genießen. Das ist eine der größten Schanzen und jeder Sprung machte mich glücklich. Zuerst habe ich mich gefreut, dann erst habe ich mir die Weite und die Platzierung angesehen. Meine Einstellung war komplett anders. Früher war das mögliche Ergebnis nicht nur während des Wettkampfes sondern auch schon davor in meinem Kopf.

 

Berkutschi: Nachdem was du gesagt hast, zieht man leicht den Schluss, dass dich das Adrenalin pusht. Umso windiger es ist, umso mehr können sich die polnischen Fans auf dich verlassen?

 

Zyla: In gewissem Sinne, ja. Umso windiger, umso mehr kann man auf mich zählen. Aber das geht auch umgekehrt. Und das ist das Schönste am Skispringen – es ist nicht vorhersehbar. Bei stärkerem Wind gibt es mehr Adrenalin. Man weiß nicht, ob die Skier in der richtigen Position sein werden oder ob ein Ski nach dem Absprung nach unten kippt. Diese Unsicherheit ist das Beste.

 

Berkutschi: Es ist noch ungefähr ein halbes Jahr bis Sochi 2014. Wahrscheinlich wirst du dort einer der Kandidaten sein, die im Einzel- und im Teamwettkampf eine wichtige Rolle spielen können. Ist die Perspektive Sochi für dich schon spannend, oder konzentrierst du dich auf die Vorbereitung und den Sommer Grand Prix?

 

Zyla: Es ist noch viel Zeit bevor Sochi 2014 beginnt, auch wenn diese Zeit schnell vergehen wird. Jetzt konzentriere ich mich nicht auf diese Wettkämpfe. Natürlich werde ich mein Bestes geben um dort in der bestmöglichen Form zu sein. Davor gibt es aber noch viele Wettkämpfe. Momentan bereite ich mich auf den ersten Wettkampf im Sommer Grand Prix vor, dann beginnt die Vorbereitung auf den Winter. Dann ist erstmal die Zeit für den Weltcup. Zuerst muss ich mich für das Team für Sochi 2014 qualifizieren. Sport ist unvorhersehbar und keiner kann sich sicher sein dabei zu sein. Man kann plötzlich in Form kommen und się auch plötzlich wieder verlieren. Zuerst muss ich in Sochi dabei sein, dann muss ich mich für den jeweiligen Wettkampf qualifizieren und dann kann ich daran denken wie ich bei Olympia springen will. Bis zu diesem Moment liegt noch viel Arbeit vor mir.

 

Berkutschi: Wovon träumt Piotr Zyla im Augenblick?

 

Zyla: Das weiß ich nicht. Ich will mein Leben Tag für Tag leben und nicht zu weit in die Zukunft schauen. Man weiß nie, was am nächsten Tag passieren wird. Jetzt würde ich einfach gerne in Ruhe trainieren.