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W. Hofer: "Keine Entscheidungen aus der Emotion heraus"

Erstellt am: 17.12.2014 10:47 / sk

Sirin Güven, Redakteurin eines türkischen Skisprung-blogs (www.kayaklaatlama.blogspot.com) führte im letzten Sommer ein Interview mit FIS Renndirektor Walter Hofer über seine Tätigkeit im Skispringen, wie er zu dem Posten des Renndirektors kam und die Entwicklung dieses Sports im Allgemeinen.

Skispringen ist ein Sport, aber es ist auch ein Geschäft und Unterhaltung. Wenn die Wetterbedingungen schwierig sind, müssen sie, anhand der Informationen die sie von ihrem Team erhalten, entscheiden ob es weitergeht oder ob der Wettkampf gestoppt wird. Wie gehen sie damit um wenn sie deshalb kritisiert werden?

Walter Hofer, Sepp Gratzer

 

Walter Hofer: Ich geben ihnen einige genauere Informationen, sodass sie unsere Organisationsstruktur besser verstehen. 15 Jahre lang habe ich die Wettkampfjury geleitet, aber seit einigen Jahren bin ich jetzt eine Art Supervisor für die Jury. Die Jury besteht aus drei Personen, dem technischen Delegierten, dem Assistenten des technischen Delegierten und dem Rennleiter. Ich bin kein Mitglied der Jury, sondern Leiter des sogenannten Wettkampfmanagements, das in Aktion tritt, wenn Entscheidungen getroffen werden, die nicht in den Regeln für die Jury festgelegt sind. Wenn, zum Beispiel, die drei Mitglieder der Jury den Wettkampf aus irgendeinem Grund stoppen müssen, dann ist es meine Verantwortung über Verschiebungen, Unterbrechungen, Absagen und so weiter, zu entscheiden. Ich muss diese Entscheidungen auch der Öffentlichkeit mitteilen, deshalb sieht man mich dann. Aber ich treffe diese Entscheidungen nicht alle selbst.

Anders ausgedrückt, die Jury hat Rechte und Pflichten und ich beobachte ob diese auch ausgeübt werden. Wenn eine Entscheidung nicht in diesen Regularien festgelegt ist, liegt es an mir weitere Massnahmen zu setzen und die Jury zu beraten. Das ist wichtig, weil ich nicht legislative und exekutive in einer Person sein kann. So lange der Wettkampf problemlos läuft, ist die Jury in Aktion. Wenn eine Situation eintritt, in der die Jury den Wettkampf stoppen muss, dann bin ich in Aktion. Deshalb ärgern sich Kommentatoren oder Zuschauer über mich, wenn eine Absage oder ein Neustart notwendig ist. Das ist aber fair, weil es Druck von der Jury nimmt. Ich weiß aber, dass diese Entscheidungen manchmal nicht populär sind.

 

Die zweite wichtige Information ist, dass ich von sehr professionellen Partnern umgeben bin. Miran Tepes, zum Beispiel, ist extrem vorsichtig und sehr erfahren. Das gleiche gilt für Sepp Gratzer oder die anderen Offiziellen. Alle sind ehemalige Skispringer oder Trainer. Natürlich gibt es bei einem Wettkampf verschiedene Interessen: Sponsoren, Veranstalter, TV, Agenturen, nationale Verbände. Aber das ist für uns kein Problem, da die FIS keine TV- oder Marketingrechte an Weltcupveranstaltungen hält. Deshalb spüren wir von dieser Seite keinen Druck. Es geht nur um den Sport. Natürlich kann nicht jeder über unsere Entscheidungen glücklich sein. Einige liegen vorne, andere nicht, das ist Teil des Sports. Sie können das ganz einfach selbst beurteilen: Denken sie, wir würden lange in unseren Positionen bleiben, wenn der Sport nicht die wichtigste Rolle spielen würde?

Ein anderer Punkt ist die Emotion. Ich versuche, und muss das jeden Tag lernen, Entscheidungen nie aus dem Herzen oder der Emotion heraus zu treffen. Nur rationale Zahlen und Fakten sind wichtig. Die Entscheidung darf nie anders ausfallen, egal ob 30 000 oder nur 300 Zuschauer da sind. Das ist die wirkliche Herausforderung in unserer Arbeit, die Entscheidungen müssen immer auf der Sicherheit und der Fairness basieren.

 

Warum Skispringen? Ich kenne ihre ganze Karriere nicht, aber warum nicht, zum Beispiel, alpiner Skisport, Langlauf oder Eislaufen?

 

Hofer: Das passierte zufällig. Ich wollte Fussballer werden und habe mehr als 15 Jahre lang gespielt, aber nicht in einer höheren Liga. Ich war nicht sehr talentiert, nur mit Leidenschaft und Begeisterung dabei und ich habe es geliebt. Zuerst habe ich eine Handelsschule absolviert, dann wollte ich aber mehr über den Sport wissen. Deshalb habe ich mich entschieden mit 25 meinen Job zu kündigen und nach Salzburg zu gehen um dort Sport und Psychologie zu studieren. Natürlich musste ich dieses Studium selbst finanzieren und so habe ich einen Job gesucht.

Ich hatte auch eine Ausbildung zum Physiotherapeuten und Masseur gemacht und habe eine Stellenanzeige des österreichischen Skiverbandes gesehen. Sie haben einen jungen Studenten gesucht, der das Wissen hat um mit Skispringern, besonders auf den Gebieten des Krafttrainings, der Regeneration, des Mentaltrainings usw., zu arbeiten. Das waren genau meine Bereiche und es war zuerst auch unabhängig vom Sport, das hätte ich auch in einem anderen Sport machen können. Ich begann „meine“ Vision in diesen Bereichen des Sports zu studieren und habe so auch die Grundlagen des professionellen Trainings gelernt. Nach zehn Jahren als Teil des Trainerstabs, sechs Jahre für die Österreicher, vier Jahre für die Deutschen, wurde ich gefragt bei der FIS in der neuen Position des professionellen Koordinators für Skispringen anzufangen. Diese Position entwickelt sich immer weiter – bis heute. Das ist schon zuviel über mich selbst. Ich war auch an der Universität Salzburg als Lehrbeauftragter für Event Management tätig.

 

Welche Länder haben zuletzt am meisten in den Sport investiert, zum Beispiel was Trainingsstätten, Trainer, die Organisation von Wettkämpfen und Entwicklungsprogramme betrifft?

 

Hofer: Historisch gesehen gibt es fünf große Nationen: Deutschland, Norwegen, Finnland, Österreich und Japan. Diese Nationen hatten das meiste theoretische Wissen weil sich Universitäten mit dem Sport befasst haben, und die meisten Skiproduzenten kommen ebenfalls von dort. In den letzten Jahren haben wir es geschafft diesen Vorteil etwas auszugleichen und die Anzahl der Nationen die vorne dabei sind zu erhöhen. Es gibt Polen, Slowenien, die Schweiz, Tschechien. Nun hoffen wir das andere Länder ebenfalls erfolgreich sein werden: Russland, Kasachstan, Frankreich und so weiter. Und hoffentlich auch Nationen, die das Skispringen jetzt entwickeln wollen, wie die Türkei, Korea, China, nicht zu vergessen die USA und Kanada.

 

Skispringen entwickelt sich immer weiter, die Regeln ändern sich laufend, neue Technologien werden angewendet, im Sommer wurde ein neues Wettkampfformat getestet. Was können wir noch erwarten?

 

Hofer: Es gibt viele Ideen und Gedanken, aber um ehrlich zu sein, die großen Änderungen wurden bereits vor 10 bis 15 Jahren vorgenommen. Damals haben wir das Skispringen sicherer und fairer gemacht. Jetzt ändern sich die Regeln betreffend des Formats, der Ausrüstung und der Organisation in kleineren Schritten. Der Sommer ist perfekt für uns um Modifizierungen zu testen und zu sehen, ob diese auch im Winter angewendet werden können. Im Moment konzentrieren wir uns mehr auf die Verbesserung des Umfelds für unsere Athleten und ihre Serviceleute, die Infrastruktur und so weiter. Das ist nicht so wichtig und interessant für die Medien, aber wir arbeiten laufend auch in diesen Bereichen.

 

Welcher Ort hat, ihrer Meinung nach, die einzigartigste Atmosphäre, aus Sicht der Athleten und der Zuschauer?

 

Hofer: Es gibt heutzutage viele Veranstalter, die ihre eigenen Atmosphäre schaffen können. Man kann Zakopane, Willingen, Oslo, die Vierschanzentournee, Vikersund oder Planica nicht miteinander vergleichen. Jeder Ort ist einzigartig und hat eine tolle Atmosphäre.

 

Gibt es Möglichkeiten für Interessierte bei Skisprungveranstaltungen mitzuarbeiten, ausser als freiwilliger Helfer?

 

Hofer: Ja, alles ist möglich. Es arbeiten immer Freiwillige bei mehreren Veranstaltern und in verschiedenen Bereichen. Man muss dafür die Veranstalter direkt kontaktieren. Die FIS hat eine sehr kleine aber effektive Verwaltung, aber die Veranstalter haben immer Möglichkeiten für Interessierte.

 

Was glauben sie, sollte der türkische Skiverband oder die Mitglieder des türkischen Teams tun, um den Sport zu entwickeln und zu fördern?

 

Hofer: Alle nationalen Skiverbände sich unabhängige Mitglieder der FIS. Wir mischen uns nicht in deren Politik ein, aber wir sind immer bereit unser Wissen und unsere Erfahrungen zu teilen. Wir schicken oft unsere Experten zu Inspektionen wenn sie darum gebeten werden. Was den türkischen Skiverband betrifft, bin ich sehr zufrieden mit den letzten Entwicklungen. Ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass alles in die richtige Richtung geht und bin ziemlich zuversichtlich, das türkische Athleten in naher Zukunft an internationalen Wettkämpfen teilnehmen werden.

 

Das ist eine persönliche Frage, ich würde es also verstehen wenn sie nicht antworten wollen. Was macht Walter Hofer in seinem Privatleben?

 

Hofer: Zwei kleine Mädchen, die nun erwachsene Frauen geworden sind, nehmen mein Privatleben ein. Um ehrlich zu sein, kann ich das Privat- und Berufsleben nicht wirklich trennen. Wir haben einen Job den wir lieben und die Arbeitszeit ist dabei kein Faktor der zählt.

 

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